musikalische Urprägung

tortitch

musikalische Urprägung

Beitragvon tortitch » So 23. Jan 2011, 12:29

Das hört man ja nicht selten: das Empfinden, dass die Dur-Tonleiter irgendwie wahnsinnig harmonisch und richtig klingt und Quinten und vielleicht auch noch Terzschichtungen, alles das sei kulturell bedingt.
Wenn man das mal so als Prämisse akzeptiert, dann ist die Dur-Tonleiter gleichsam das Urmuster aller Tonleitern und die anderen Modes sind irgendwie Derivate davon.
Und wie sieht es in der Rhythmik aus? Ich behaupte mal, als der urgrundmäßige Normalfall können die geraden Achtel gelten. Irgendwelche triolischen Sachen sind dagegen schon "abgeleitete Komplikationen". Die gefühlsmäßigen rhythmischen Atome sind allerdings nicht die Achtel, sondern in meinem Fall die Sechzehntel (32tel schaff ich ohnehin nicht).
Nun habe ich aber die Beobachtung gemacht, dass es mir leichter fällt, im triolischen Feeling also geshuffelt rumzududeln, wenn also kein Backingtrack läuft, kein Drumloop, kein Klick, also Rumdudeln ohne alles. Dann wird das Gespielte irgendwie klarer und es fällt mir leichter, im Beat zu bleiben. Da dachte ich mir so, ja klar, die geraden Achtel oder 16tel sind eigentlich nur Monotonie, sie bieten keinen Anhalt, während der Shuffle für sich schon so etwas wie ein rhythmisches Motiv darstellt, das einem beim Spielen eine gewisse Orientierung bietet. Dann habe ich versucht, das bei langsamem Tempo auch mit den 16teln zu machen, die also zu shuffeln. Und ich muss sagen, es fühlte sich gut an. Das Rumdudeln bekam gleich einen ganz anderen Drive.
Seitdem versuche ich, mich gleichsam umzuprogrammieren und den Shuffle als den rhythmischen NOrmalfall zu betrachten oder besser: zu empfinden. Sofern das Tempo das zulässt, versuche ich jetzt also immer in geshuffelten 16teln zu denken. Das hat den Vorteil, dass beim Spielen der Wechsel zwischen z.B. 16tel-Figuren und triolischen Figuren viel leichter fällt und sich einfach schlüssiger anfühlt.
Ich weiß freilich, dass es ein alter Hut ist, 16tel auch über geraden Rhythmen angeshuffelt zu spielen. Mir geht es ja auch mehr darum, was als das "Urmuster", als der "Normalfall", als das "rhythmische Atom" gelten soll. Es ist somit vor allem eine Frage der Betrachtung. Wie auch immer ... mir hilft es auf jeden Fall.

Zakk_Wylde
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Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Zakk_Wylde » So 23. Jan 2011, 12:45

Wo ist jetzt die Frage?

Spielen im 16tel Feel oder 8tel Feel oder triol. Feel = rhythmisches Atom, als Urmuster?

Ist das jetzt anthropologisch gemeint? Oder Dein rhythmisches Urmuster (Grundbaustein)?

Meine Meinung: Du erkundest gerade verschiedene rhythmische Grundgeschwindigkeiten in Abhängigkeit vom Backbeat und Tempo.

Sollte man auf jeden Fall machen.

tortitch

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon tortitch » So 23. Jan 2011, 13:40

Oh ... eine Frage hatte ich gar nicht. Nur ein paar Überlegungen zum Thema Üben, Timing, Rhytmusgefühl und Improvisation.

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Matt 66
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Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Matt 66 » So 23. Jan 2011, 14:45

Na, das nenne ich doch mal einen Forumseinstieg! :up:

Ich kann in etwa nachfühlen, was Du meinst. Und lustigerweise habe ich selbst auch einen Drang zum Swingen, wenn ich alleine ohne jeden Bezug einfach rumdudel. Gerade Achtel passieren da irgendwie seltener.

Zu Deinem Gedanken des "Urmodells"/Atoms und den Triolen:
Im europäischen Mittelalter war der 3er-Puls der "perfekte" und nicht der 2er. Ich sehe 2- und 3-Teilung auch als gleichberechtigte Urmodelle nebeneinander. Richtig krumm und konstruiert wird es erst mit Quintolen und Septolen. Auch ein 5/4 Takt ist für mich schon eher "unnatürlich", wenngleich viel einfacher zu handlen als Quintolen. Es ist aber wohl wie so vieles: irgendeiner macht was vor, betritt Neuland, und nachfolgende Generationen übernehmen es auf "natürliche" Weise.

Viel entscheidender finde ich die Feststellung, dass die abendländische Rhythmik von jeher divisiv angelegt ist, wohingegen in anderen Kulturkreisen die Rhythmik additiv funktioniert. Wir gehen von einem Grundpuls aus, der in verschiedene Größen geteilt wird, woanders hängen sie einfach verschieden lange / kurze Noten aneinander. Das rhythmische "Denken" ist dann ganz anders.

Wichtig ist immer, wo der eigentliche Puls ist. Deshalb ist es auch ein Unterschied, ob 4/4 Takt oder 8/8 Takt. Oder noch deutlicher bei 3/4 gegenüber 6/8.

Zu der Sache mit der Dur-Tonleiter könnte man jetzt auch noch viel sagen, aber bleiben wir mal lieber beim Rhythmus... ;)

tortitch

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon tortitch » So 23. Jan 2011, 15:13

Das mit dem Mittelalter finde ich ja interessant!! Vielleicht motiviert durch die heilige Dreizahl?
Die Anmerkung mit dem additiven Rhythmusdenken habe ich nicht verstanden. Noten unterschiedlicher Länge aneinander hängen machen wir doch auch?
Und noch ein Hinweis zu dem, was ich meinte: Üben und vor allem Lernen hat wohl etwas mit Verstehen zu tun. Und Verstehen heißt, dass etwas Neues auf Bekanntes oder Vertrautes zurückgeführt wird. Die Modes zu verstehen (und damit ist die Anwendung eingeschlossen), heißt für mich also, sie irgendwie von der Dur-Tonleiter her verständlich zu machen.
Um nun, wie gefordert, beim Rhythmus zu bleiben: Was bei den Tonleitern die Dur-Tonleiter , ist beim Rhythmus für mich das triolische Muster. Musikdidaktisch würde das z.B. heißen, dass man beim Lernen und Lehren mit Shuffle-Rhythmen beginnt, um so den Shuffle als den rhythmischen "Urgrund" ins Musikempfinden einzugraben.
Wie gesagt, wenn ich im 16tel-Shuffel denke, dann fühlt sich für mich das Spielen von Triolen (ob 8tel oder 16tel) viel natürlicher. Die Achtel ergeben sich ohnehin und die 16tel sind ja auch da ... wenn auch vielleicht etwas geshuffelt halt.

Was schließlich die Quin- und Septolen betrifft ... die bleiben wohl schwierig. Ich werd's mal ausprobieren.

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Matt 66
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Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Matt 66 » So 23. Jan 2011, 15:47

Hat sicher auch etwas mit der Dreifaltigkeit zu tun, aber auch mit dem Versmaß in der damaligen Lyrik.
Wenn Dich das weiter interessiert: http://de.wikipedia.org/wiki/Mensuralnotation

Damals gings´s um perfekte und imperfekte Teilungen. Das "Nonplusultra" war das, was man heute als 9/8 aufschreiben würde. Ein "großer" Dreierpuls, wo jeder Schlag sich nochmal in drei Teile gliedert.
Ich hab sowas früher mehrere Semester lang in moderne Notenschrift übertragen dürfen. :dizzy: Hab aber schon wieder vieles vergessen. Bin da gar nicht mehr so richtig drin, seit ich Balkanfolklore für mich entdeckt habe... ;)

zur additiven Rhythmik:
Spiel doch mal ne punktierte Viertel, eine Viertel, 3 Sechzehntel, eine Viertel, 2 Achtel, 2 Sechzehntel, drei Viertel und eine Achteltriole nacheinander und dann leg das über einen zünftigen 4/4 Beat aus dem Drumcomputer... ;)

Es gibt Musikkulturen, die haben kein Taktschema wie wir. Die denken nur in lang, extralang, kurz, extrakurz usw. aneinandergehängt. Da wird`s schwer mit zyklischen Wiederholungen. Wir im "Westen" hören halt sowas häufig "zurecht" und schieben das alles im Kopf so hin, dass es für uns Sinn macht, aber in der eigentlichen Ausführung ist es additiv.

tortitch

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon tortitch » So 23. Jan 2011, 16:13

Aha, jetzt glaube ich, es besser verstanden zu haben. Der Unterschied ist also der, dass es nicht so sehr die sich zyklisch wiederholenden Einheiten gibt. Dann dürfte sich das Zusammenspiel mehrer Instrumente ganz anders gestalten, als "wir" es gewohnt sind.

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Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Zakk_Wylde » So 23. Jan 2011, 18:45

Ohne jetzt mich in musikhistorische Bereiche begeben zu wollen .... (wäre ohne Wiki ohnehin nicht möglich).

Ich denke rhythmisch wie ein Autofahrer.

Ich habe eine Geschwindigkeitsstaffelung (wie ne Gangschaltung beim Auto).

Im binären Feeling denke ich am Anfang eines Solos häufig in Achteln, dann schalte ich einen Gang oder zwei Gänge höher, dh. 8tel Triolen oder 16tel.

Wenn das Grundtempo es erlaubt, ist der nächsthöhere Gang 16tel Triolen (oder Sextolen), dann 32tel.

Dh. Geschwindigkeitssteigerung im Sinne von 8teln, 8tel Triolen, 16teln, Sextolen,...

Ne andere Art rhythisch zu denken ist zB. ungerade Figuren hintereinander zu spielen (zB. "Mühle" = Repeating Lick) mit entsprechenden Akzentverschiebungen.

Oder man versucht bewusst auf ungeraden Zählzeiten anzufangen, um diese von diesen starken Betonungen der Zählzeiten wegzukommen.

....


Meine erstes rhythmisches Grundfeel war komischer Weise das Spielen von Triolen. Keine Ahnung warum. Dann habe ich lange bevorzugt im 16tel Feel gespielt. Schön funky...

Tom

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Tom » So 23. Jan 2011, 19:22

Kirche (Wort) versus Tanz (Schwerkraft/Puls)

daher kommt alles.

Und durch tanzen werden auch 7er, 5er und 9er "natürlich" für den Menschen fühlbar.
Braucht man gar nicht so weit wegfahren und kann in (Ost)Europa bleiben

Die Durtonleiter ist nur in einem bestimmten mathematisch-theoretischem System - welches sich halt in der Breite durchgesetzt hat -
die "Mutter" aller Skalen.
Das heißt ja noch lang nicht, daß sie die "natürlichste" aller Tonleitern ist.

Diese wäre unter gewissen anderen Gesichtspunkten betrachtet dann wieder eher Mixo #11 (= die Obertonreihe als 7 stufige Skala auf der Grundschwingung aufbauend)
>>>Skriabin>>>

Zakk_Wylde
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Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Zakk_Wylde » So 23. Jan 2011, 19:45

Tom hat geschrieben:Kirche (Wort) versus Tanz (Schwerkraft/Puls)

daher kommt alles.



Schön, dass Du den allem Menschlichen innewohnenden Dualismus mal so auf zwei Worte runtergebrochen hast (gepaart mit nem Schuss Kirchen- und Kulturkritik. Schöne Grüße von Rainer aus dem Dschnugel).

Kopf und Bauch
Herz und Verstand
Großhirn und Stammhirn
Kognition und Affektion
Hochkultur und Hottentottenmusik
Ying und Yang
Tim und Struppi
Chips und Cola ....

Dafür liebe ich Dich!! Hahaha!

tortitch

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon tortitch » So 23. Jan 2011, 20:20

Zakk_Wylde hat geschrieben:

Meine erstes rhythmisches Grundfeel war komischer Weise das Spielen von Triolen. Keine Ahnung warum.


Nach meiner Theorie hast du dann ja die optimalen Startbedingungen gehabt. Vielleicht schaffst du es ja deswegen jetzt, beliebig von Gang zu Gang zu schalten, was ja schon beneidenswert ist... na ja, ein bisschen Üben war vielleicht ja auch noch dabei ;)

tortitch

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon tortitch » So 23. Jan 2011, 20:50

Tom hat geschrieben:Kirche (Wort) versus Tanz (Schwerkraft/Puls)

daher kommt alles.

Und durch tanzen werden auch 7er, 5er und 9er "natürlich" für den Menschen fühlbar.
Braucht man gar nicht so weit wegfahren und kann in (Ost)Europa bleiben

Die Durtonleiter ist nur in einem bestimmten mathematisch-theoretischem System - welches sich halt in der Breite durchgesetzt hat -
die "Mutter" aller Skalen.
Das heißt ja noch lang nicht, daß sie die "natürlichste" aller Tonleitern ist.

Diese wäre unter gewissen anderen Gesichtspunkten betrachtet dann wieder eher Mixo #11 (= die Obertonreihe als 7 stufige Skala auf der Grundschwingung aufbauend)
>>>Skriabin>>>


Nun ja, ich hatte den Thread eher eröffnet im Gedenken an ganz pragmatische Ansätze zu den o.g. Themen (Üben, Rhythmusgefühl, Improvisation). Ich hatte nicht erwartet, dass es glatt ins Musikphilosophische umschlägt.

Tom

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Tom » So 23. Jan 2011, 20:59

tortitch hat geschrieben:Nun ja, ich hatte den Thread eher eröffnet im Gedenken an ganz pragmatische Ansätze zu den o.g. Themen (Üben, Rhythmusgefühl, Improvisation). Ich hatte nicht erwartet, dass es glatt ins Musikphilosophische umschlägt.


Ich empfehle fürs Üben von Rhythmusgefühl das Metronom auf unterschiedliche Zählzeiten laufen zu lassen

z.B. 8tel Triolen: das Metronom läuft auf jede mittlere Triole anstatt auf die Viertel
oder ganz einfach das Metronom auf die 2 und die 4 anstatt die eins und die drei laufen lassen

Oder den Unterschied zwischen punktierten Sechzehnteln und Achteltriolen ausarbeiten - beides klingt im ersten Moment sehr ähnlich:
Metronom auf Viertel, dann 6 Viertel punktierte Sechzentel abwechselnd mit 6 Vierteln Achteltriolen

Metronom auf Halbe laufen lassen, oder auf ganze Noten

Oder mit einem Delay spielen, daß 50:50 dry:wet eingestellt ist; wobei hier die Repeats auch z.B. auf Triolen oder auf punktierte Notenwerte eingestellt sind

Tom

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Tom » So 23. Jan 2011, 21:05

Zakk_Wylde hat geschrieben:
Kopf und Bauch
Herz und Verstand
Großhirn und Stammhirn
Kognition und Affektion
Hochkultur und Hottentottenmusik
Ying und Yang
Tim und Struppi
Chips und Cola ....

Dafür liebe ich Dich!! Hahaha!

Du hast Zakk und Lümmel in der Liste vergessen

tortitch

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon tortitch » So 23. Jan 2011, 21:10

Tom hat geschrieben:
Ich empfehle fürs Üben von Rhythmusgefühl das Metronom auf unterschiedliche Zählzeiten laufen zu lassen

z.B. 8tel Triolen: das Metronom läuft auf jede mittlere Triole anstatt auf die Viertel


Abgefahrene Idee! Und wie geht das praktisch? Ordentlich mitwippen, damit der Metronomklick sich nicht doch heimlich auf die erste Triole verschiebt?

Tom

Re: musikalische Urprägung

Beitragvon Tom » Mo 24. Jan 2011, 05:04

tortitch hat geschrieben:Tom schrieb:
"Ich empfehle fürs Üben von Rhythmusgefühl das Metronom auf unterschiedliche Zählzeiten laufen zu lassen
z.B. 8tel Triolen: das Metronom läuft auf jede mittlere Triole anstatt auf die Viertel"


Abgefahrene Idee! Und wie geht das praktisch? Ordentlich mitwippen, damit der Metronomklick sich nicht doch heimlich auf die erste Triole verschiebt?


Abgeschaute Idee! Von den lieben Kollegen am Drumset.

Fang bei einem ganz bequemen Tempo ganz langsam an erstmal das Metronom auf die Viertel laufen zu lassen. Wenn dir wie du schreibst die 3er Unterteilung (Triole) als die natürlichste Urprägung erscheint, dann spiel da eine einfache Figur die eindeutig triolisch ist (von der Phrase her) drüber.
Dann halt kurz inne und zähl im Kopf oder laut die Triolen mit und versuche die Viertel auf einen anderen Ton dieser eindeutig triolischen Figur zu kriegen.
Ist eine reine Übungssache, du schaffst das garantiert!

Was ich vergessen hab: prima ist auch Phrasen in der jeweiligen Unterteilung zu spielen, die sich mit der Grundzahl der n-tole
oder der 4er Gruppe nicht ausgehen: also z-B. eine 4er Gruppe in Triolen, eine 3e Gruppe in 16teln, eine 5er Gruppe in 16teln oder Triolen usw.


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