Jazz und so

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Markus
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Re: Jazz und so

Beitragvon Markus » Fr 4. Mär 2016, 10:51

Hier mal was Feines zum Reinhören und Mitspielen:

https://www.youtube.com/watch?v=5udzfT4phkY

Tom

Re: Jazz und so

Beitragvon Tom » Fr 4. Mär 2016, 11:19

Mr Knowitall hat geschrieben:Die Quintessenz eurer Antworten ist im Grunde etwas, was ich schon befürchtet habe. Um nicht immer das Gleiche zu spielen und auch noch halbwegs zu wissen, was man da tut, muss man viele Etüden spielen. Solange, bis man über die Etüden nicht mehr nachdenken muss und Teilstücke dieser Etüden im Kopf hören und ohne Nachzudenken immer dann spielen kann, wenn es in den Fluss passt.


Einspruch. Das ist nur ein Teil der Geschichte. Wenn du Etüden übst wirst du Etüden spielen. Wenn du Teilstücke von Etüden übst, wirst du nur Teilstücke von Etüden spielen. Das muss klar sein. Eine Etüde, ein Arpeggio, eine Sequenz wird immer das bleiben was es ist.
Im Grunde habe ich mir mein derzeitiges Vokabular auch so erarbeitet, indem ich es einfach seit Jahren vor mich hinspiele, sodass ich darüber gar nicht nachdenken muss.

Das ist genau das wovon ich rede. Warum würdigst du das nicht als Erfolg? Warum erkennst das nicht als Stärke an? Und wie lange hast du gebraucht, dieses Vokabular zu entwickeln und zu verinnerlichen? Hast du dich hingesetzt und mit einem konketen Ziel daran gearbeitet? Nein, sondern:
Ich spiele Gitarre meist, weil ich gern vor mich hinspiele und das ist schon ok, aber man kann nicht nur das machen, weil man dann stehenbleibt.

Du bleibst nicht stehen. Niemals. Wenn du die Gitarre in die Hand nimmst ist auch immer ein Teil üben dabei. Immer. Bei jedem. Die Frage ist nur, wie bewusst du darin bist. Also welche Impulse du auf das was du von dir selber hörst hast. Und natürlich ob du dir selber über haupt zuhörst.

Es gibt auch andere Konzepte. Das erste Scott Henderson Lehrvideo ist darin sehr gut, das kennst du doch. Learn from the Lick. Und diese Sache, die er von Wayne Shorter gelernt hat: in gegebenen Changes eine kleine 2 oder 3 tönige Phrase z.B. aufwärts spielen. Durch die Akkordwechsel bist du dann mit der Frage konfrontiert: wie geht die Phrase weiter? das ist ein völlig anderes Konzept als: Arpeggios üben, Skalen üben etc. Und ein viel musikalischeres.

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Mr Knowitall
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Re: Jazz und so

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 4. Mär 2016, 11:38

Tom hat geschrieben: Durch die Akkordwechsel bist du dann mit der Frage konfrontiert: wie geht die Phrase weiter? das ist ein völlig anderes Konzept als: Arpeggios üben, Skalen üben etc. Und ein viel musikalischeres.


Das liegt mir eigentlich sehr viel näher, da man sich da eher aufs Voraushören verlassen muss. Das ist für mich natürlicher, aber man beschränkt sich natürlich auf das, was man im Kopf hört. Das was man hört und das was man spielt, ist mehr oder weniger eins. Das ist gut, kann aber auch langweilig werden.
Etüden zwingen einen dazu, etwas Neues zu spielen, was man vielleicht ansonsten nie spielen würde.

Schnabelrock

Re: Jazz und so

Beitragvon Schnabelrock » Fr 4. Mär 2016, 11:44

Mr Knowitall hat geschrieben:Etüden zwingen einen dazu, etwas zu spielen, was man vielleicht ansonsten nie spielen würde.


Das ist für mich wie Physik studieren, obwohl man im Herzen und vom Talent her Tischler ist. Stell Dir vor, John Irving wäre nicht Schriftsteller geworden, sondern hätte Elektrotechnik studiert und würde nun technische Betriebsanleitungen verfassen. Um sein "Spektrum abzurunden und Persönlichkeit sowie Fähigkeiten auszubauen". Wer will das für sich machen, welcher Dritte braucht das? Wo ist da der Nutzen für irgendwen?

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Mr Knowitall
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Re: Jazz und so

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 4. Mär 2016, 11:50

Nein, das ist doch Quatsch. Wenn du nur Alle meine Entchen kennen würdest, könntest du auch nur das spielen. Wär das gut?
Nein, du hast dann irgendwann das BLuesschema gelernt. Das ist dir doch auch nicht selbst eingefallen.

Schnabelrock

Re: Jazz und so

Beitragvon Schnabelrock » Fr 4. Mär 2016, 11:58

Persönlichkeit und Talent soll man imo linear entwickeln und im Einklang mit den eigenen Anlagen, Interessen und Talenten.
Wohlgemerkt: Entwickeln, nicht auf der Stelle treten.

Wenn man sich statt geradeaus irgendwo seitwärts in die Büsche schlägt, wird man eben weder gut noch authentisch, weil man Dinge tut, die man weder kann noch einem etwas bedeuten. Da sind andere dann besser (im Zweifel immer Tom). Einstein wäre ein mittelmäßiger Musiklehrer oder Bäcker geworden. Slash kein herausragender Arzt und noch nichtmal ein bemerkenswerter Jazzdrummer.

Das ist etwas abstrakt, aber es gilt. Wie es jeder für sich umsetzt, ist dann seine Sache. Klar muss man den Unterschied zwischen "geradeaus" und "Abweg" für sich auch erstmal definieren.

Tom

Re: Jazz und so

Beitragvon Tom » Fr 4. Mär 2016, 12:16

Mr Knowitall hat geschrieben:Das liegt mir eigentlich sehr viel näher, da man sich da eher aufs Voraushören verlassen muss. Das ist für mich natürlicher, aber man beschränkt sich natürlich auf das, was man im Kopf hört.


Das ist keine Beschränkung!!!!
Das was man hört und das was man spielt, ist mehr oder weniger eins. Das ist gut, kann aber auch langweilig werden

Hier setzt Stockhausens Aussage an: Du bist was du singst, und du wirst was du hörst.
Das noch unvertraute versuchen zu singen; im übertragenen , aber auch im wörtlichen Sinn.
Natürlich völlig wurst ob du die Töne triffst oder keine schöne Stimme hast!
Etüden zwingen einen dazu, etwas Neues zu spielen, was man vielleicht ansonsten nie spielen würde.

Genau. Aber die Transferleistung die Etüde in deine Welt aufzunehmen: da kommst du bei deinem Anspruch nicht drum rum. Und das ist auch ein Teil des Übens.

Tom

Re: Jazz und so

Beitragvon Tom » Fr 4. Mär 2016, 12:19

Linearität ist sogar innerhalb der Mathematik eine Illusion.

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Cat Carlo
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Re: Jazz und so

Beitragvon Cat Carlo » Fr 4. Mär 2016, 12:57

Mr Knowitall hat geschrieben:Nein, das ist doch Quatsch. Wenn du nur Alle meine Entchen kennen würdest, könntest du auch nur das spielen. Wär das gut?
Nein, du hast dann irgendwann das BLuesschema gelernt. Das ist dir doch auch nicht selbst eingefallen.

Du hast es nicht anders gewollt! Nee, is kein Quatsch, Du hast nur nicht richtig verstanden. Aber ich werd's Dir zeigen! ;-)

Es gibt 'ne ganze Reihe Leute, die lernen nix auswendig, sondern spielen "ihr eigenes" Zeug. Sind kreativ. Wie sie meinen. Und dann wäre meine Frage: Spiele doch einfach mal "Alle meine Entchen" auf Deinem Instrument. Wenn das nicht flüssig geht, dann machen sie sich was vor, dann können sie das, was sie im Kopf haben, gar nicht auf das Instrument umsetzen. Ich muss also in der Lage sein, eine gehörte Melodie sofort mit oder nachzuspielen. Dann kann ich auch Melodiebögen, die ich im Kopf habe, problemlos auf das Instrument übertragen.

Wie kommt man da hin? (Nu weiß ich nicht, wie weit Du bist, Forum ist immer so bissl abstrakt, sorry) Also: als ich angefangen habe vor Jahrzehnten, war ich der totale Spastiker auf dem Instrument. (Kommentare sind jetzt überflüssig!) Ich konnte nicht unterscheiden, ob die Melodie noch oben, unten oder auf dem gleichen Ton bleibt. Im Musikunterricht musste ich, wenn der Lehrer etwas schöneres mal machen wollte, die Schnauze halten: kein Gehör. :think:

So, wat nu? ich habe mir auf Cassette dann Intervalle aufgenommen, alle von der kleinen Sekund bis zur Oktave. Einmal nach oben, einmal nach unten, einmal gemischt, manchmal auch nur reine oder scharfe Intervalle. Immer vom gleichen Ton aus. Und dann nach Zufall davon 100 oder mehr auf Cassette und dann nachgespielt. Oder es versucht. Um das Gehör zu schulen. War halt ein Anfang.

Was mache ich heute: ich habe eine Liste mit über 400 Titeln von Stücken die irgendwie eine Melodie beinhalten. Man muss da hart zu sich sein, es gibt da auch keinen Halt vor Helene Fischer. Und dann einfach die Melodie auf der Gitarre spielen. Einmal, wenn hakt, auch zwei oder dreimal. Aber nicht einüben! Nicht mehr! Die Liste kann man natürliche mehrmals durchspielen und immer erweitern. Läuft bei mir zur Zeit ausgezeichnet. Es geht um Gehör, nicht darum, Kunststückchen zu vollführen (mechanisch auswendig gelernte Stücke).

Andererseits gilt es auch, mit sauberem Timing zu spielen. Da ist dann wieder mechanische auswendig lernen gefragt. Oder die Melodien als MIDI zu programmieren und dann mitzuspielen. Besser beides.

Zu Etüden ist zu sagen: Auch gut für Timing und natürlich melodische Abläufe, aber nicht alles. Ich habe auch mal die Bach'schen Inventionen als Übung gespielt. Das erweitert das musikalische Verständnis (den musikalischen Sprachschatz) um einiges. Bach selbst hat im Vorwirt dazu geschrieben, die Inventionen dienen auch der Bildung des musikalischen Geschmackes, er meinte damit wohl just das, was ich im Satz davor geschrieben habe.

Wichtig ist, die Hände durch Dein Gefühl steuern zu lassen, nicht durch irgendwelche Überlegungen. Da sind sich ja auch hier alle einig.

Zum Bluesschema: Denkst du noch in Griffen, die da aufeinanderfolgen, oder ist das schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass Du das automatisch in jeder Tonart spielst? Das 2. entspricht dann dem Spielen nach Gehör, das war gemeint.

Und jetzt muss ich nochmal nachladen: Wenn es um Kabel geht, dann bemüht Ihr Euer Gehör, das Gefühl. Und bei den Tonfolgen fangt Ihr an zu rechnen. Nee, Jungs, genau umgekehrt is richtg! :mag:

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Mr Knowitall
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Re: Jazz und so

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 4. Mär 2016, 16:39

Aber mal andersrum: das möcht ich sehen, wie jemand giant steps spielt, ohne Etüden geübt zu haben, einfach nach Gehör. Am besten zu einer Walking Basslinie. Jedes Konzept hat auch seine Grenzen.

Tom

Re: Jazz und so

Beitragvon Tom » Fr 4. Mär 2016, 16:52

Giant Steps war als Etüde konzipiert und ist es auch geblieben.

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Re: Jazz und so

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 4. Mär 2016, 16:58

Dafür klingts aber ned schlecht. Aber ned so gut, dass ich das üben würde. :-)

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Re: Jazz und so

Beitragvon Zakk_Wylde » Fr 4. Mär 2016, 17:12

Meine Frage:

Hörst Du Jazz? Spielst Du Jazz, weil Du die Musik liebst? Oder willst Du Jazz spielen, weil es Dich "irgendwie" weiter bringt?

Gruß

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Re: Jazz und so

Beitragvon Cat Carlo » Fr 4. Mär 2016, 17:20

Meinst Du das Thema oder die Improvisation?

Das Thema noch Gehör ist kein Akt. Die Improvisation ist wohl nicht eingeübt, sie besteht das geübten einzelsteilen, er wird sie jedesmal anders spielen. Die Fingerfertigkeit ist natürlich auch zu üben, klar. Aber das Gehör geht bei dieser mechanischen Arbeit vielfach "verloren" bzw. wird nicht trainiert. Das gilt doch auch für Akkorde auf der Gitarre: Selbst wenn Du sie z.B. als Pianist hören und unterscheiden kannst, kommt dazu noch die Technik, sie zu greifen. Hat ich aber auch geschrieben, von wegen Etüden und Timing und so.

Noch mal zur Improvisation von Hr. Coltrane: Wenn Du das auswendig lernen willst: rein mechanisch kriegste dass wahrscheinlich gar nicht in den Kopf rein, da brauchste schon das Gehör dazu.

Han Solo

Re: Jazz und so

Beitragvon Han Solo » Fr 4. Mär 2016, 17:22

Ist doch egal was man spielt. Hauptsache kein Jazz. :out:

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Re: Jazz und so

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 4. Mär 2016, 17:24

@ Zakk
Ich höre sehr viel Fusionzeugs (Uncle Moes Space Ranch), Tribal tech, Holdsworth, Joshua redman, Bossa (nicht die Sachen mit Streichern :nono: ), Deep Purple mit Blackmore, bissl Tool, Pantera, Dillinger Escape Plan. Viele Arten von jazz kann ich ned leiden. Is aber bei Metal noch viel mehr so. Da gefällt mir fast nix. ;-)

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Re: Jazz und so

Beitragvon Matt 66 » Fr 4. Mär 2016, 18:38

Ich hatte den ganzen Tag schon im Kopf, die gleiche Frage wie Zakk zu stellen. Jetzt ist er mir zuvorgekommen...

Das ist nämlich ein guter Punkt: man muss viel Jazz HÖREN, die "Sprache des Jazz" verinnerlichen, um guten Jazz abzuliefern. Man kann nicht den ganzen Tag Metal hören und plötzlich beschließen, Jazz zu spielen. Man kann komplexere Voicings spielen, modale Skalen benutzen, swingig phrasieren, usw., aber es wird nicht automatisch Jazz dadurch.

Und was ich eigentlich sagen wollte: das eigentliche Thema hier hat ja nicht nur mit Jazz zu tun. Die gleichen Fragestellungen ergeben sich doch für jede Stilistik! Das ist doch kein reines Jazz-Problem! Lass mal einen ausgewiesenen Bebop-Spezialisten einen Metallica Song mit palm mute und ausnahmslos Downstrokes spielen... :mrgreen: oder fiese Country-Bendings...

Ich bin ja selbst mal in diese Falle getappt: "Hey, ich habe Ahnung von Musiktheorie, also werde ich jetzt Jazz spielen, denn das ist meinem Intellekt würdig." 8-) :roll: Hab aber die ganze Zeit nur Tori Amos und Nek gehört... Das kann nicht gutgehen. Ich kann Jazz analysieren und erklären, ich kenne jeden harmonisch-melodischen Kniff, weiß zu jeder Akkordfolge die passenden Improvisationsansätze... aber ich bin kein Jazzer! Und das hört man dann eben auch. :oops:

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Re: Jazz und so

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 4. Mär 2016, 18:50

Ich will gar nicht klingen wie ein Jazzgitarrist. Die mag ich eh nicht. In dem Saxsolo von Blue Bossa hört man, wie einer zu einer einfachen Akkordfolge ein langes solo spielt, das für mich einfach gut klingt. Die meisten Jazzgitarristen schrubben 8tel mit einem komischen Sound. Das will doch keiner hören.

Han Solo

Re: Jazz und so

Beitragvon Han Solo » Fr 4. Mär 2016, 18:54

Matt 66 hat geschrieben:Die gleichen Fragestellungen ergeben sich doch für jede Stilistik! Das ist doch kein reines Jazz-Problem!


Das ist kein reines Musikproblem!

Tom

Re: Jazz und so

Beitragvon Tom » Fr 4. Mär 2016, 19:44

Mr Knowitall hat geschrieben:Ich will gar nicht klingen wie ein Jazzgitarrist. Die mag ich eh nicht. In dem Saxsolo von Blue Bossa hört man, wie einer zu einer einfachen Akkordfolge ein langes solo spielt, das für mich einfach gut klingt. Die meisten Jazzgitarristen schrubben 8tel mit einem komischen Sound. Das will doch keiner hören.

:thumbup:


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