Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Musiker

Tom

Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Musiker

Beitragvon Tom » Mi 13. Apr 2016, 10:11

Folgende Gedanken las ich unlängst:

"Manche Künstlerinnen und Ensembles verlangen bewusst sehr niedrige Honorare, weil sie meinen, die Masse macht’s, denken dabei aber weniger an ihre Knochen (übermüdet am Steuer ...). Wer am Anfang seiner Karriere seine Honorare sehr niedrig ansetzt, wird es schwer haben, sie rasant zu steigern. Da hört mann dann „Vor zwei Jahren haben Sie aber noch 300 € gekostet!“.
Frau kann nicht alle Preissteigerungen durch Mehrarbeit wegstecken. Es ist fatal, seine Preise überhaupt nicht zu erhöhen. Auch wenn die Inflationsrate für die Währungshüter zu niedrig ist, müsste sich jedes Jahr das Honorar zumindest um die Inflationsrate von knapp 2 % / Jahr erhöhen, müsste ... Eine jährliche Erhöhung hinterlässt aber einen schlechten Eindruck („Krämerseele“). Eine Möglichkeit, seine Einnahmen zu erhöhen, ohne über eine von den Kunden tolerierte Honorarschwelle zu klettern, ist die Anpassung der separat abgerechneten Nebenkosten an die Kostenentwicklung. Vielleicht nicht jedes Jahr, aber alle zwei oder drei Jahre sollte frau eine Erhöhung vornehmen, nachdem der bisherige gesamte Businessplan geprüft wurde: Welche Inszenierungen/ Konzerte/ Motive sind rentabel? Welche Artikel und Leistungen werden kaum nachgefragt und sind nur teuer vorrätig zu halten? Womit bin ich vergleichsweise zu billig? Was empfindet der Kunde als teuer? Aus welchem Kundenkreis kommt der meiste Umsatz? Welches Angebot ergibt zwar viel Umsatz aber kaum Gewinn? Wie und um wieviel hat sich mein Marktwert gesteigert und wie kommuniziere ich das? Und zum Schluss eine neue Preisliste schreiben und neben das Telefon legen."

Eure Meinung dazu wäre sehr interessant für mich - wenn ihr Lust habt.

Danke schonmal

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Matt 66
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Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Matt 66 » Mi 13. Apr 2016, 11:01

Ich bin zwar Freiberufler, aber nicht als Künstler/Bühnenmensch, von daher kann ich dazu nicht viel sagen. Außer dass ich dieses "frau" sowas von albern finde, dass ich schon gar nicht mehr weiterlesen möchte (hab`s aber trotzdem getan) und diese Person von mir reflexartig und vorurteilsbeladen schon mal gleich weniger ernst genommen wird.

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Markus
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Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Markus » Mi 13. Apr 2016, 11:07

Hallo Tom,

das ist ein mehr als abendfüllendes Thema. Ich bin zwar kein Musikprofi, kann die Thematik also in dieser Branche nicht richtig beantworten. Aber als Freiberufler und (vor allem) schreibender Medienprofi kenne ich natürlich die Honorardiskussionen aus eigener leidvoller Erfahrung!

Generell richtig ist: Wenn Du erst mal auf niedrigen Honorarsätzen hängst, dann kommst Du da kaum wieder runter. Das wollen in meinem Metier viele (junge) Journalistinnen und Journalisten nicht wahr haben, weil sie die niedrigen Honorare für den Einstieg ins Freiberufler-Dasein nutzen. Aber wer einmal für 30 Euro pro Manuskriptseite schreibt, der ist eigentlich schon im A....!

Andererseits müssen sich natürlich auch besser dotierte Schreiberlinge (und wahrscheinlich auch Musiker) mit den tendenziell sinkenden Honorarstaffeln auseinandersetzen. Wenn "der Markt" nun mal Tagessätze von, sagen wir, 500 Euro aufwärts nicht mehr hergibt, dann kannst Du so viele Preislisten neben Dein Telefon legen, wie Du willst - die Kunden werden Dir immer mit der Argumentation kommen, dass sie eine vergleichbare Leistungen auch zu günstigeren Preisen bekommen können.

Anständige Honorare - und damit vielleicht ab und an mal eine Preiserhöhung - wird man nur erzielen, wenn man eine Leistung, einen Leistungsbestandteil aus dem Hut zaubert, den es so bei der Konkurrenz nicht gibt. Und dies muss dann auch noch eine Leistung sein, die der Kunde will, weil sie ihm einen "Nutzen" verspricht - im Fall meiner Dienstleistungen also eine tolle Resonanz auf eine öffentliche Rede oder einen veröffentlichten Artikel, in Deinem Fall ein volles Haus bei einer Veranstaltung, eine gute Presse nach einem fabelhaften Konzert usw. usw.

Das Problem ist in den meisten Fällen nur: Die meisten Kunden sind erstens nicht "schlau" genug, um zu erkennen, wo Du Ihnen nutzt und dass es Sinn macht, in diesen Nutzen zu investieren. Und zweitens sind die meisten Kunden auch zu bräsig, sich mit diesem Nutzen überhaupt befassen zu wollen. Die meisten Kunden wollen einfach irgendeine halbwegs passable Leistung für wenig Geld - und nicht die beste Leistung für ein bisschen mehr Geld.

Fazit: Die Kunden sind an allem schuld und Preiserhöhungen im Zeitalter von Digitalisierung und disruptiven Geschäftsszenarien für die meisten Dienstleistungen ein Wunschtraum!

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Keef
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Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Keef » Mi 13. Apr 2016, 12:10

Markus hat geschrieben:Hallo Tom,

das ist ein mehr als abendfüllendes Thema. …Die meisten Kunden wollen einfach irgendeine halbwegs passable Leistung für wenig Geld - und nicht die beste Leistung für ein bisschen mehr Geld.…

Mit diesem "Problem" und dem Versuch dagegen anzukämpfen schlägt sich doch die gesamte Medienbranche seit Anbeginn herum.
Das kenne ich auch. "Mhh, schön und gut - aaaber dort bekomme ich es doch "wesentlich" günstiger" Weil nur unten rechts auf den Preis geschaut wird und nicht sooo sehr auf den Text.


Markus hat geschrieben:… Ich bin zwar kein Musikprofi, kann die Thematik also in dieser Branche nicht richtig beantworten. …

Ma ehrlich. Auch bei uns Hobbymusikern ist doch der Spruch: "Ihr seid aber teuer!" Gang und Gebe. Das aber an dem Abend die Hütte voller ist als an den meisten sonstigen und der Getränkeumsatz - womit nun mal der Umsatz gemacht wird - gewaltig in die Höhe geht wird unterschlagen. Nur sehr Wenige geben das zu…


Markus hat geschrieben:… Fazit: Die Kunden sind an allem schuld …

Stimmt

linus
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Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon linus » Mi 13. Apr 2016, 16:13

Genau diese Thematik erlebe ich gerade mit der "Arbeits-Band" :

ich gehöre seit 2008 einer Band an, die Unterhaltungs/Party/Covermusik auf Veranstaltungen spielt.
Die "Events" sind Stadtfeste, Dorfveranstaltungen und private Firmen-Feiern...!

Durch unser "Harakiri-Programm" wurden wir immer öfter gebucht - bei gleichbleibender Gage. Der Mehrwert
für den Veranstalter war immer gegeben, da der Platz/die Halle feierte (ohne Musik von PUR/Bon Jovi/Helene F. !!),
die Getränkebetreiber kaum nachkamen - und wir quasi pausenlos durchspielten :twisted:

Da die Gigs jährlich sind, werden diese bereits beim Bezahlen des gerade gespielten Gigs "vorgebucht" - ein
beliebtes Spielchen der Veranstalter, da sie so einer "Gagenanpassung" quasi zuvorkommen :mad:
Dieses hatte zur Folge, das bei den meisten Events wir teils heute noch auf dem gleichen finanziellen Stand der
Dinge sind :gun:

Hat uns jedoch ein "Entscheider" selbst erlebt und macht eine Anfrage, heben wir unsere Gage in völlig neue
Höhen - und das machen diese bis dato alle mit :shock:
Will sagen: etablierte Events bieten nur wenig Erhöhungsspielraum, neue Gigs hingegen fallen deutlich besser aus.

Allein die Diskussion mit einem Veranstalter, das wir nach fast 10 Jahren die Gage um 300,- Euro erhöhen, war
unglaublich zu erleben - aber da habe ich einfach mal den gelernten Kaufmann raushängen lassen und ihm vorgerechnet, wieviel davon pro Nase nach Steuern überbleibt... Das schien dem noch nie jemand
erklärt zu haben...!

Als "alleinstehender" Freiberufler mag ich mir gar nicht vorstellen, was man sich da alles anhören/ertragen muss -
Qualität wird schon lange nicht mehr bezahlt, da es ja zuhauf Leute gibt, die das ganze viel günstiger anbieten.

Wir leben auch diesbezüglich in ätzenden Zeiten, Musik ist zur "umsonst-zu-haben-Veranstaltung" verkommen,
und deren Dienstleister sind die ärmsten Schweine - und das meine ich absolut ernst !

(Ein Bekannter von mir erzählte gerade von einem "Konzert" in Japan, wo die "Musiker" als Hologramm auf
die Bühne gebeamt wurden, das ganze im optisch angesagten Manga-Style, die Musik lief vom Band... die
Halle war ausverkauft, Stimmung extatisch - "Livekonzert" im Jahr 2016 :gun: )

Läster Paul
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Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Läster Paul » Mi 13. Apr 2016, 17:09

Heisst glaube ich Kapitalismus, freie Marktwirtschaft, Wettbewerb und Konkurrenz oder so.

linus hat geschrieben:Genau diese Thematik erlebe ich gerade mit der "Arbeits-Band" :

ich gehöre seit 2008 einer Band an, die Unterhaltungs/Party/Covermusik auf Veranstaltungen spielt.
Die "Events" sind Stadtfeste, Dorfveranstaltungen und private Firmen-Feiern...!

Durch unser "Harakiri-Programm" wurden wir immer öfter gebucht - bei gleichbleibender Gage. Der Mehrwert
für den Veranstalter war immer gegeben, da der Platz/die Halle feierte (ohne Musik von PUR/Bon Jovi/Helene F. !!),
die Getränkebetreiber kaum nachkamen - und wir quasi pausenlos durchspielten :twisted:


Warum werdet ihr immer öfter gebucht?
Weil ihr billiger seid als als eine der Originalbands. Also das gleiche Prinzip.
So einfach ist das.
Wenn du Querbeet spielst lässt sich das(Querbeet) noch als Argument bringen, bei Coverbands, die nur eine Band nachspielen ist das aber genau so.

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Matt 66
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Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Matt 66 » Mi 13. Apr 2016, 17:12

Das bisher Gesagte inkludiert stets, dass die Künstler so gut seien und die doofen Kunden das nicht honorierten. Schon mal daran gedacht, dass eine Band auch einfach nur zu schlecht sein kann, um eine höhere Gage zu rechtfertigen?

Schnabelrock

Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Schnabelrock » Mi 13. Apr 2016, 18:08

In den meisten dieser Bereiche gilt die 80-20-Regel.

80% der Anbieter haben 20% der interessanten Jobs.
20% der Anbieter haben 80% der interessanten Jobs.

Am schönsten ist es daher, nicht bei den 80% Anbietern zu sein, die mal 5 Euro Preiserhöhung bekommen. Wenns gut läuft.
Sondern zu den 20% vorzudringen, dann löst sich das Problem auf diese Weise.

Läster Paul
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Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Läster Paul » Mi 13. Apr 2016, 19:03

Matt 66 hat geschrieben:Das bisher Gesagte inkludiert stets, dass die Künstler so gut seien und die doofen Kunden das nicht honorierten.

Ich nehme mal an, es ging um den Klassikbereich:
"Manche Künstlerinnen und Ensembles verlangen bewusst sehr niedrige Honorare,

So siehts aus:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsle ... 04650.html

Han Solo

Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Han Solo » Mi 13. Apr 2016, 19:37

Schnabelrock hat geschrieben:Sondern zu den 20% vorzudringen, dann löst sich das Problem auf diese Weise.


Also PUR/Bon Jovi/Helene F.

Puh bin ich froh, nicht mit Musik mein Geld verdienen zu müssen. Ich könnte das nicht. Daher: :bravo: Tom und all die anderen Profis.

Schnabelrock

Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Schnabelrock » Mi 13. Apr 2016, 20:09

Warum nicht? Ist doch ein professionelles Produkt. Der Bäcker macht ja auch nicht nur Brote, an die glaubt und die er liebt.
Ein Job ist ein Job. Gut wenn man ihn liebt und davon leben kann. Wenn er nur ganz okay ist und man davon leben kann, ist es auch in Ordnung.

Die Idee, man müsse zutiefst an seinen Job glauben ist was für 10 % Glückliche und 50% Amateure, die Ihrerseits dann beruflich irgendwas tun, was auch nicht der Kunst oberste Spitze darstellt.

Han Solo

Re: Kalkulation und Honoraranpassungen bei Freiberuflern/Mus

Beitragvon Han Solo » Mi 13. Apr 2016, 20:26

Gut wenn man ihn liebt und davon leben kann.


Ich würde wohl früher oder später die Liebe verlieren. Und davon leben können viele auch nicht richtig. Kenne einige Profimusiker, die Nebenjobs haben und immer knapp an der Arbeitslosigkeit herum segeln.


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