»Mama, habt ihr gelogen?«
... fragt mich mein Sohn Leander verunsichert und schiebt gleich hinterher: »Das darf man doch nicht, oder?« Er erzählt, dass ein älterer Mitschüler ihn auf dem Schulhof beschimpft hat. Plötzlich stand der Junge einfach vor ihm und meinte: »Deine Eltern sind Lügner, hat mein Papa gesagt.«
Es ist Anfang Februar 2012 und ich merke, dass mir mein Leben aus den Händen gleitet. Was passiert hier gerade? Was soll ich tun? Längst schon bin ich an meine Grenzen gekommen. Seit zwei, drei Wochen lasse ich das Radio ausgeschaltet und lege nur noch CDs ein, um so nicht schon wieder eine Nachricht über meinen Mann Christian zu hören und das, was er, auch was wir, angeblich Unrechtes getan haben sollen. Denn mir fällt es schwer, meinem Sohn die Antworten zu geben, nach denen er verlangt. Leander ist acht Jahre, er liest die Zeitung, hat ein iPad, geht ins Internet. Er lebt schließlich nicht auf dem Mond und bekommt so das mit, was mich selbst überrollt.
Mit am schlimmsten ist die mediale Belagerung. Selbst hier in Großburgwedel, wo ich aufgewachsen bin, wo unser neues und auch altes Zuhause ist, lassen sie uns nicht in Ruhe. Auch mein jüngster Sohn Linus, drei Jahre, ist völlig verwirrt. Morgens öffnet er erst einmal die Tür und streckt vorsichtig den Kopf hinaus, um sie dann schnell wieder zu schließen und zu mir in die Küche gerannt zu kommen mit den Worten: »Mama, die stehen schon wieder da.« Gemeint ist ein Pulk an Journalisten und Fotografen. Selbst am Wochenende belagern sie unser Haus, und so wird es Linus zu bunt und voller Tatendrang und aus dem Brustton der Überzeugung sagt er zu mir: »Mama, ich setze mich jetzt auf meinen Trecker und fahre die einfach um.« Leander vermeidet unter diesen Umständen jeden Schritt vor das Haus. Denn bereits der Weg zum Freund, nur einige Häuser, nur einige Meter weiter, wird für ihn zum Spießrutenlauf. Zwar erscheinen die Fotos später nicht in irgendeiner Zeitung, so viel Anstand beweisen die Journalisten dann doch, aber allein die Tatsache, dass ein Fotograf mit seinem Riesenobjektiv draufhält, wenn Leander an ihm vorbeigeht, verwirrt meinen Sohn. »Warum macht der das?« - »Warum gehen die nicht weg?« - »Warum lassen die uns nicht in Ruhe?« Leander löchert mich mit diesen Fragen und ich weiß, dass ich ihn damit nicht alleine lassen kann. Denn er ist verunsichert. In der Zeitung hat er etwas über die umstrittene Finanzierung unseres Hauses gelesen. Aufgeregt kam er gleich zu mir und fragte: »Mama, müssen wir jetzt hier ausziehen?« Er hat Angst, dass man ihm sein Zuhause nimmt. In Berlin ist er nie wirklich angekommen, hier in Großburgwedel aber fühlt er sich sicher und hier sind seine Freunde.
Es muss etwas geschehen. Ich möchte mich nicht verstecken und meine Kinder sollen es auch nicht tun müssen. Ich möchte auch nicht, dass meine Kinder beschimpft werden für Dinge, die schlicht unwahr sind oder mit denen sie rein gar nichts zu tun haben. Ich bin wütend auf die Eltern dieses Jungen, die sagten, wir seien »Lügner«, doch ich schiebe meine Verärgerung beiseite und werde Leander erklären, wie diese Schlagzeilen zustande kamen. Er soll die Wahrheit kennen. Die ist wichtig. Mit diesem Wissen wurde ich erzogen, so habe ich versucht zu leben und so soll dies auch für mein zukünftiges Dasein gelten.
Ich kann nur eines sagen: Wenn es mir egal wäre, dass Leute Gerüchten über meine Person Glauben schenken, wenn es mir egal wäre, dass diese Menschen auch meinen, ich würde bewusst ständig nach einem Profit für mich und meine Familie suchen und ich eine oberflächliche, luxusverliebte und auf Glamour erpichte Frau sei, dann würde ich einfach alles auf sich beruhen lassen und kein weiteres Wort darüber verlieren. Aber es ist mir nicht egal, was Menschen über mich denken beziehungsweise dass in ihren Köpfen möglicherweise ein Bild über meine Person herumspukt, welches mir selbst absolut fremd ist. Und übrigens auch engsten Freunden und meiner Familie. Ich weiß, dass es schwierig ist, ein verankertes und auch von Medien geformtes Urteil zu verändern oder besser gesagt ins rechte und gerechte Licht zu rücken. Dafür sind Vorurteile ein zu komplexes Phänomen. So schnell sie entstehen, so schnell gelten sie als ein Stück Wahrheit. Ich weiß, dass es mitunter lange dauern wird, diese Meinung, die manche Menschen über mich haben, vielleicht doch ein Stück weit zu revidieren. Aber genau das wäre mir wichtig. Ich möchte, dass die Menschen mich so sehen, wie ich bin: als eine ziemlich normale Frau und Mutter, die ihr Leben so leben möchte, wie sie es will, und nicht, wie andere es von ihr erwarten. Und die sich verantwortungsvoll für andere, vor allem eben auch für die eigenen Kinder, und für Themen einsetzt, die ihr wichtig sind. So einfach ist das eigentlich ...
1 Die Männer
Adrett, solide, gebildet und absolut seriös erscheinend: Als konservativer Politiker, als Katholik und fürsorglicher Familienvater war Christian Wulff sicher so einiges, zum Beispiel der Liebling vieler, wenn nicht gar aller Schwiegermütter, aber ganz gewiss war er kein Womanizer. Wenn ich mich früher mit meinen Arbeitskollegen und vor allem -kolleginnen über Christian Wulff unterhalten habe und wir ihn uns in der Zeitung anschauten, fragten wir uns schon: Was findet eine Frau an diesem Mann? Irgendwie fehlten da ein paar Ecken und Kanten, etwas Besonderes und Eigenes. Christian Wulff wirkte glatt, wie der klassische Juristentyp. In puncto Kleidung kannte er scheinbar keine Alternative zu einem dunkelblauen Anzug und die Auswahl seiner Brillen war auch nicht gerade spektakulär.
Genauso habe ich es damals empfunden, als ich Christian noch nicht kannte. Und manchmal ist es seltsam, sich jetzt, nach all dem Geschehenen, was wir als Paar gemeinsam erlebt haben und was die Beziehung auch geprägt hat, an die Anfänge und die Zeit der großen Verliebtheit zu erinnern. Aber es ist wichtig, dies zu tun, zumal ich weiß, dass sich etliche Außenstehende genau das fragten, was ich ja einmal selbst dachte: Wie kann sich eine junge Frau in einen Mann wie Christian Wulff verlieben?
Zunächst einmal: Ich habe bei Männern kein festes Beuteschema. Wenn ich in Zeitungen manchmal lese, dass da irgendwelche Frauen gerne von einem Prominenten zum anderen wechseln, finde ich das merkwürdig. Das schreit dann schon gewaltig nach dem Drang, bloß einen Partner abzubekommen, der berühmt oder vermeintlich berühmt ist, daher eventuell über das nötige Kleingeld verfügt und von dem im Idealfall etwas Glanz der Bekanntheit auf einen selbst abfällt. Nein, so ticke ich nicht. Auch wenn mir einige Medien gerne unterstellten, dass ich es auf Luxus und Glamour abgesehen und mir deshalb bewusst einen Christian Wulff ausgesucht hätte - totaler Quatsch. Wenn dies so wäre, hätte ich meinen Beutezug durch die männliche Prominentenwelt doch wohl viel früher gestartet. Vielleicht mit Anfang 20, wenn die Chancen noch besser stehen. Aber nicht mit Mitte 30, wenn langsam der Zahn der Zeit an einem nagt. Ich bin nicht die Frau, die Öffentlichkeit sucht. Ich gehe beim Verlieben nicht nach einem Schema von wegen »Reich und berühmt! «. Und wenn ich das sage, tue ich dies im Hinblick auf meine bisherigen Beziehungen.
Ich war 16, Tom 24. Er war Rettungsschwimmer auf Sylt, oder besser gesagt war er Teilzeit-Rettungsschwimmer. Im Semester studierte Tom in Mainz, in den Ferien kam er auf die Insel. Die erste Begegnung mit Tom am Strand werde ich nicht vergessen: Ich steuerte gerade meinen neuen Lenkdrachen, als jemand hinter mir sagte: »Drachensteigen ist im Badefeld verboten, bitte mal wieder das Gerät zusammenfalten!« Ich drehte mich erschrocken um und da stand dieser Typ: groß, blond, blaue Augen und natürlich wartete er aufgrund seines Semesterjobs nicht mit dem schlechtesten aller Bodys auf. Ich war ziemlich schnell schwerstverliebt, und das nicht ohne schlechtes Gewissen. Zu Hause, in Hannover, gab es damals seit einigen Monaten einen festen Freund. Doch gegen Sylt, Sonne und Strand - und auch gegen Tom - war dieser letztlich chancenlos. Allerdings: Die Urlauberin und der Rettungsschwimmer, war das nicht der Liebesklassiker nur für einen Sommer oder eine typische Folge für die TV-Serie Baywatch? Konnte das überhaupt gut gehen? Es konnte. Zwar packte ich traurig am Ende der Ferien meine Tasche, doch gleich am folgenden Wochenende besuchte ich Tom wieder auf Sylt und war glücklich. Nach zwei Jahren, in denen wir uns nur in den Ferien sahen, aber uns dazwischen regelmäßig schrieben, kamen wir dann richtig fest zusammen und führten von da an eine Wochenendbeziehung. Die war anstrengend, aber wir hielten durch. Und als Tom sein Physikum in der Tasche hatte, wechselte er den Studienort und kam nach Hannover. 1993, unmittelbar nach meinem Abitur, zogen wir zusammen. Das jedoch war der Anfang vom Ende. Leider ziemlich schnell landeten Tom und ich auf dem Boden der Tatsachen. Die gemeinsame Wohnung, der Alltag mit Studium und damit auch mit Stress hatten so rein gar nichts mehr mit der Sylter Leichtigkeit zu tun. Auch nicht mit den Wochenenden, wo wir uns vorher aufeinander gefreut und die Tage bis zum Wiedersehen gezählt hatten. Diese Erkenntnis war sehr ernüchternd. Nach drei Jahren Beziehung haben wir uns getrennt. Mehrere Monate hatten wir noch eine On-off-Beziehung. Wir konnten nicht wirklich ohneeinander, aber miteinander ging es auch nicht. Trotzdem bleibe ich dabei: Es war eine aufregende, besonders schöne, intensive und sehr prägende Zeit.
Tom heißt nicht wirklich Tom. Er ist aber der einzige Mann, mit dem ich länger zusammen war und heute keinen Kontakt mehr habe und dem ich deshalb lieber einen anderen Namen gebe. Ich erwähne ihn überhaupt auch nur, weil er von anderen nicht erwähnt wurde. So war beispielsweise Anfang Juli 2010, also kurz nach Christians Wahl zum Bundespräsidenten, in einem Bericht des Magazins Focus, nichts von einem Freund auf Sylt zu lesen. Vielmehr hieß es dort, dass ich als Jugendliche »aus der Hannoveraner Welt ausbrach«. Dass ich meinen Lehrer häufiger bat, freitags früher freizubekommen, um noch rechtzeitig den Zug nach Sylt zu erwischen. Weiter stand in dem Artikel: »Dort verbrachte die gerade einmal 17-Jährige viele Wochenenden, genoss das aufregende Nachtleben. Vorzugsweise vergnügte sie sich im schicken Pony-Club in Kampen. Am Montag erzählte sie dann ihren verblüfften Klassenkameraden, welche irren Partys sie erlebt und welche Typen sie kennengelernt hatte.«
Bestimmt: Ein fester Freund als Grund für die Fahrten nach Sylt hätte die Sache wohl zu normal und zu unspektakulär klingen lassen. Aber eine Bundespräsidentengattin, die man als Partygirl abstempeln und in die Ecke der bereits zu Schulzeiten wild herumtanzenden Szenequeen drängen konnte, war da willkommener. Als ich den Bericht las, habe ich mich geärgert. Jedoch ahnte ich damals noch nicht, dass dies nur ein kleiner Vorgeschmack auf Folgendes sein würde und welch extreme Eigendynamik Gerüchte annehmen können. Aber dazu später mehr ...
Auf Tom folgten knapp zwei Jahre, in denen ich Single war, bevor ich mit 23 Achim kennenlernte. Er war der Besitzer des Fitnessstudios in Hannover, in dem ich zu der Zeit fast jeden Tag trainierte. Woher auch immer wusste Achim, als er mich ansprach, dass ich Medienwissenschaften studierte. Er fragte, ob ich mich nicht an zwei Nachmittagen in der Woche um das Marketing für sein Studio kümmern wolle. Klar habe ich da zugesagt. Für eine Studentin mit besagter Studienrichtung ein hervorragender Nebenjob. Auf diesem Weg kamen Achim und ich uns näher. Der Altersunterschied von 15 Jahren, Achim war damals 39, ist mehr unserer Umgebung als uns selber aufgefallen. Ich weiß noch, dass eine Freundin zu mir meinte, dieser Mann sei doch definitiv zu alt für mich. Mir waren derartige Bemerkungen egal. Für mich spielte das Alter keine Rolle und auch heute ist es für mich unwichtig, wenn ich Menschen kennenlerne. Entweder man hat eine gemeinsame Ebene, ein klares Gefühl füreinander, oder eben nicht.
Achims ruhige, souveräne Art und Ausstrahlung haben mich angezogen. Gut drei Jahre waren wir zusammen, dann habe ich mich getrennt. Auch jetzt noch haben Achim und ich aber einen guten Draht zueinander. Achim lebt mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind in Hannover und ab und an, beispielsweise bei Spielen des Fußballvereins Hannover 96, begegnen wir uns und dann freue ich mich. Es ist für mich ein gutes Gefühl, einen Menschen, der mir einmal so nah war, glücklich zu sehen.
Ein Expartner, der 16 Jahre älter ist, und auch Christian, der 14 Jahre älter ist - gewiss könnte man mir vorschnell einen Vaterkomplex unterjubeln, doch sei gesagt: Es gibt da auch Torsten, nur vier Jahre älter als ich und auch heute noch einer der wichtigsten Männer in meinem Leben. Er ist der Vater von meinem Sohn Leander. Mehrere Jahre liefen Torsten und ich uns in Hannover immer wieder zufällig über den Weg: Samstagmorgens beim Frühstück in der Markthalle, abends in den verschiedenen Diskotheken und Bars wie dem Zaza-Club oder dem Palo Palo. Und wenn ich Torsten sah, dachte ich: »Der sieht ja gut aus.« Groß, dunkle Haare, dunkle schöne Augen. Aber er war zu schüchtern, um mich anzusprechen, und ich war es auch. Irgendwann Mitte 2001 kamen wir bei einer After-Work-Party doch ins Gespräch. Torsten arbeitete als selbstständiger Immobilienmakler, war frisch geschieden und bereits Vater eines damals dreijährigen Sohnes. Er hatte einen wunderbar ansteckenden Humor und seine zurückhaltende Art gefiel mir. Er war präsent, aber nicht aufdringlich. Nur wenige Wochen später zogen wir zusammen. Wie sagt man so schön: Ich schwebte im siebten Himmel. Torsten schien mir der perfekte Partner. Er war - und er ist es noch immer - ein absolut zugewandter, liebevoller Mensch. Torsten gab mir das Gefühl von einem sicheren Zuhause, nachdem ich mich damals langsam sehnte. Den Haushalt machen, einkaufen, kochen - für ihn in einer Beziehung selbstverständlich. Auch kümmerte er sich intensiv um seinen Sohn, was ich sehr bewusst zur Kenntnis genommen habe, denn ich wünschte mir ein Kind. Ich fühlte mich reif, die Verantwortung zu übernehmen, und Torsten zeigte mir, dass er ein guter Vater war. So war es für mich das schönste Geschenk an meinem 29. Geburtstag zu wissen, dass ich schwanger bin. Das Baby war geplant. Ich fand es großartig von Torsten, sich noch einmal auf das Abenteuer »Familie« einzulassen.
Leander kam am 19. Juni 2003 zur Welt und zunächst schien das Glück zu dritt perfekt. Etwa ein halbes Jahr nach Leanders Geburt aber sagte ich mir zum ersten Mal: »Hier laufen grundsätzliche Dinge schief.« Jahrelang hatte für mich der Tag eine feste, klare Struktur: Ich ging morgens zur Arbeit, kam am Nachmittag nach Hause, bin dann zumeist zum Sport gegangen, bevor ich mich abends mit einer Freundin oder einem Freund getroffen habe. Ich war jemand, der mindestens eine Woche im Voraus wusste, was an Terminen ansteht. Dies gab mir Sicherheit. Und als Mutter verspürte ich das Gefühl, noch weitaus mehr Sicherheit zu benötigen, eben im Hinblick auf Leander. Heute, ein paar Jahre älter und um einige Erfahrungen reicher, weiß ich, dass ich es sicher mit meinem Planen auch übertrieben habe. Damals aber konnte ich nicht aus meiner Haut.
Es machte mich rasend, wie Torsten abends ins Bett gehen konnte, ohne zu wissen, wie der nächste Tag aussieht. Dass er sogar am nächsten Morgen aufstand und sagte: »Ach, ich gehe jetzt erst einmal einen Kaffee trinken. Danach sehen wir weiter ...« Für mich lebte er in einem totalen Chaos. Was mich anfangs an ihm und seinem Selbstständigen-Dasein faszinierte, diese Gelassenheit und ohne scheinbare Zwänge zu leben, sich von keinem etwas sagen lassen zu müssen, dies ließ mich plötzlich verkrampfen. Hinzu kam die finanzielle Unsicherheit. Torstens Geschäfte liefen damals leider schlecht, auch musste er Unterhalt zahlen. Nicht zu wissen, ob überhaupt und wenn ja, wie viel er zur Miete, zu den Kosten für die Lebensmittel, einfach zu unserem Lebensunterhalt beisteuern kann, hat mich belastet. Permanent hatte ich das Gefühl, dass alles an mir hängt, dass ich bloß nicht krank werden darf, sondern immer perfekt performen muss, um den gesamten Laden zu schmeißen. Torsten und ich redeten und suchten nach Kompromissen. Aber es war der Klassiker: »Ja, ich werde mich ändern«, lautete das Versprechen von Torsten, wenn ich ihn bat, mehr Struktur in seinen Tagesrhythmus zu bringen. Doch das Beteuern hielt nur zwei, drei Wochen, bevor er wieder in seinen alten Trott verfiel. Verrückt. Wenn ich rückblickend an diese Zeit denke, kann ich über mich nur den Kopf schütteln. Ich sah nicht, dass Torsten selbst mit dieser Phase haderte, er mit sich unzufrieden war und nicht wusste, wo er hinwill. Meine Wünsche und meine Forderungen setzten ihn nur noch mehr in Druck.
Die Situation blieb unverändert und ich wurde zunehmend wütender. Wir hatten uns schließlich gemeinsam entschieden, ein Kind zu bekommen. Aber alles blieb an mir hängen, lastete auf meinen Schultern - so habe ich es empfunden. Gut ein Jahr nach Leanders Geburt zog ich daher aus der gemeinsamen Wohnung aus. Es fiel mir schwer, sehr schwer. Selbst im Nachhinein tut es mir noch immer leid, obgleich dies aus dem Munde der Person, die den anderen verlassen hat, oft mehr nach einer schnell dahingesagten Entschuldigung klingen mag. Doch es ist mein Ernst.