Griechenland

buttrock

Re: Griechenland

Beitragvon buttrock » Mo 6. Jul 2015, 11:11

Zumindest hat die griechische Regierung eine demokratische Legitimation fuer ihre Unnachgiebigkeit und spekuliert jetzt wohl darauf, dass die Verhandlungen weniger hart gegen Griechenland gefuerht werden muessen, weil man von anderer Seite nicht behaupten kann, die Haltung sei nur die Spinnerei der Regierung. Ob die Rechnung aufgeht oder ob IWF/EU/Deutschland drauf scheissen und Griechenland komplett zum Entwicklungsland verkommen lassen , ist noch offen. Als politischen Prozess find ich das ziemlich gut und teile die Hoffnung, dass man sich dadurch ein stueckweit das Sparregime lockern konnte und die strukturellen Probleme in Griechenland nun ohne Zeitdruck und Verelendung angehen kann.
Dass Varoufakis zurueck getreten ist um die weiteren Verhandlungen nicht zu belasten, obwohl das Referendum als sein Erfolg gewertet werden kann ist auch bemerkenswert.

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Bassfuss
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Re: Griechenland

Beitragvon Bassfuss » Mo 6. Jul 2015, 12:27

....ich bin sehr für Griechenland - nicht falsch verstehen. Und ich habe schon recht früh viel von der griechischen Mentalität mitbekommen, da mein Vater Jahre mit GR zu tun hatte. Ich habe auch hier vor Wochen gefragt, warum alles von Rückzahlung redet, wo das Land noch nicht einmal halb auf den Füßen ist.
Aber: ich finde die Haltung falsch, daß nun EU und vor allem D an der Lage Schuld sein sollen. Denn in die Lage hat sich GR schon ganz alleine gebracht. Und wenn jetzt die Stimmung erzeugt wird, daß man nur NEIN sagen muß, und alles ist wieder gut und die Sparpolitik hat ein Ende, dann finde ich das gefährlich. Denn Schulden bestehen auch dann nach wie vor. Und das Land hat trotzdem nicht auf einmal eine funktionierende Infrastruktur oder eine Industrielandschaft. Das Land importiert Olivenöl. Das ist fast so, als wenn wir Milch importieren würden. Einzig der Tourismus würde boomen, weil alles billiger wird. Aber wo keine Industrie/Produktion ist, kann auch keiner profitieren.

Daß allerdings an Rückzahlung (neue Löcher mit alten Löchern stopfen) nicht zu denken ist, ist doch eigentlich klar.

Ich finde übrigens Aussagen von Varoufakis - den ich im Übrigens für die Arroganz in Person halte - es sei Terrorismus, was man mit GR mache und man mache das alles, um GR weiterhin quälen zu können, weder lustig noch verwertbar noch irgendwie zielführend.

Die Politik in GR hat eine Stimmung geschaffen (leider) nach dem Motto: seht her, ich habe alles versucht, aber sie haben mich gezwungen. Mir ist auch klar, daß man Banken gerettet hat und nicht die Bevölkerung. Und ich finde, man hat das griechische Volk zu sehr leiden lassen. Aber die Ausgangssituation von vor 5 Jahren hat GR selbst geschaffen, nicht Deutschland.

Fakt ist natürlich trotzdem, daß man nicht wieder bei den kleinen Leuten und bei den Rentnern anklopfen darf. Die haben eh schon nichts mehr. Aber auch diese Regierung versäumt es offenbar, die reichen Griechen zur Kasse zu bitten. Es ist leider offensichtlich immer noch zu sehr alltäglich, daß der reiche sich durch ein paar Euro an die richtige Adresse vor der Stuer drücken kann.

Das Problem ist also sehr vielschichtig und nicht so einfach auszumerzen. Aber in diesem Moment ist GR auch keinen Schritt weiter.

Grüße, Frank

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Re: Griechenland

Beitragvon Bassfuss » Mo 6. Jul 2015, 12:29

...ach so: zu dem Papier: gestern hat Rudolf Hickel, anerkannter Wirtschaftsprof aus Bremen, gesagt, nicht einmal er sei durch den Text, der zur Debatte stand, durchgestiegen bzw. er habe damit schon Probleme gehabt.

Nicknack

Re: Griechenland

Beitragvon Nicknack » Mo 6. Jul 2015, 12:32

Nicht, dass mich jemand falsch versteht: die "kleinen Leute in Griechenland" tun mir schon leid.
Und ich halte die bisherigen Reformforderungen auch für inhaltlich falsch.

Aber was heisst hier Verhandlungen?
Griechenland hat eine völkerrechtlich verbindlichen Vertrag unterschrieben.
Und dann gebrochen.
Wie kommen die neue Regierung in Athen auf die idee, sie könnte jetzt Forderungen stellen oder man müsse neu mit ihnen verhandeln?

Ich glaube, ich wäre in schallendes Gelächter ausgebrochen, wenn mir Tsipras oder Varoufakis so gekommen wären. Und ich schätze, das hätten die beiden Schlitzohren ganz genau verstanden und die Arschbacken zusammengedrückt.
Zuletzt geändert von Nicknack am Mo 6. Jul 2015, 14:15, insgesamt 1-mal geändert.

buttrock

Re: Griechenland

Beitragvon buttrock » Mo 6. Jul 2015, 12:47

Als Exportweltmeister kommen einem hohe Staatsausgabe anderer Laender meistens eigentlich entgegeben. Und ueber das Steuersystem und die Schattenwirtschaft wusste man auch schon bescheid, als man die Eu um die entsprechenden Maerkte erweitern wollte. Da hat man knallhart drauf gewettet, dass es gut geht und bis zur Krise auch fleissig Waffen an einen aufgeblasenen Militaerhaushalt geliefert. Wie ein Barkeeper der dem betrunkenen Gast weiter einschenkt und dann rumheult, wenn er irgendwann die Theke vollkotzt.
Die Griechen haben in der Tat abgewogen ob noch Luft in den "Angeboten" der Glaeubiger ist und die Regierung versucht das Beste rauszuholen. Was angesichts der Tatsache, dass Leute auf Grund der Sparmassnahmen sterben (HIV-Neuinfektionen,Saeuglingssterblichkeit mittlerweile auf Schwellenlandniveau), ganz verstaendlich ist. Den Leuten ist der deutsche Steuerzahler egal, und das vollkommen zurecht. Man kann als Hegemon in Europa nicht immer drauf hoffen, dass man als einziger Staat seine Interessen durchsetzen will und kann.
Zuletzt geändert von buttrock am Mo 6. Jul 2015, 12:54, insgesamt 1-mal geändert.

Tom

Re: Griechenland

Beitragvon Tom » Mo 6. Jul 2015, 12:48

Ich hatte immer den Eindruck, es gehe im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung um die horrenden Zinsen die aufgelaufen sind, also indirekt um die Bereicherung der Banken und auch weitestgehend und populistisch ausgedrückt um das schnelle Geld, daß aus der Verschuldung und dem Bankrott der Staaten Griechenland, Island, Irland etc. gezogen wurde.
Ich hatte den Eindruck, Tsipras und co. würden vorallem daran arbeiten, daß eine griechische Regierung wieder einigermaßen handlungsfahig und weitestgehend selbstbestimmt wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nochmal auf den von buttrock geposteten Link des Kommentares von Georg Diez hinweisen.

Möglicherweise könnte auch ein Blick, wie es Island ergangen ist und jetzt geht hilfreich sein. :dontknow:

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Zakk
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Re: Griechenland

Beitragvon Zakk » Mo 6. Jul 2015, 13:03

Vor allem profitiert Deutschland von der Krise der Griechen am meisten....

Schwacher Euro ----> starke Exporte!

Es ist alles so verlogen....

Ich glaube auch nicht, dass es einen Grexit gibt. Griechenland ist Nato-Partner. Putin scharrt schon mit den Hufen....

Die werden sich das irgendwie zurecht zimmern.

Gruß Z.

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Re: Griechenland

Beitragvon Zakk » Mo 6. Jul 2015, 13:04

Vor allem profitiert Deutschland von der Krise der Griechen am meisten....

Schwacher Euro ----> starke Exporte!

Es ist alles so verlogen....

Ich glaube auch nicht, dass es einen Grexit gibt. Griechenland ist Nato-Partner. Putin scharrt schon mit den Hufen....

Die werden sich das irgendwie zurecht zimmern.

Gruß Z.

tortitch

Re: Griechenland

Beitragvon tortitch » Mo 6. Jul 2015, 14:29

Deutschland ist wirklich das Vorzeigebeispiel für ein Land, das in der Geschichte nie seine öffentlichen Schulden zurückgezahlt hat. Weder nach dem Ersten noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür ließ es andere zahlen, etwa nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870, als es eine hohe Zahlung von Frankreich forderte und sie auch bekam.
Die Geschichte lehrt uns zwei Möglichkeiten für einen hoch verschuldeten Staat, seine Rückstände zu begleichen. Die eine hat das britische Königreich im 19. Jahrhundert nach den teuren napoleonischen Kriegen vorgemacht: Es ist die langsame Methode, die man heute auch Griechenland empfiehlt. Das Königreich sparte sich damals die Schulden durch rigorose Haushaltsführung ab – das funktionierte zwar, dauerte aber extrem lange. Über 100 Jahre verwandten die Briten zwei bis drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung auf die Schuldentilgung, mehr als sie für Schulen und Bildung ausgaben. Das musste nicht sein und sollte auch heute nicht sein. Denn die zweite Methode geht viel schneller. Deutschland hat sie im 20. Jahrhundert erprobt. Im Wesentlichen besteht sie aus drei Komponenten: Inflation, einer Sondersteuer auf Privatvermögen und Schuldenschnitte.
Nach großen Krisen, die eine hohe Schuldenlast zur Folge haben, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man sich der Zukunft zuwenden muss. Man kann von neuen Generationen nicht verlangen, über Jahrzehnte für die Fehler ihrer Eltern zu bezahlen. Nun haben die Griechen zweifellos große Fehler gemacht. Bis 2009 haben die Regierungen in Athen ihre Haushalte gefälscht. Deshalb aber trägt die junge Generation der Griechen heute nicht mehr Verantwortung für die Fehler ihrer Eltern als die junge Generation von Deutschen in den 1950er und 1960er Jahren. Wir müssen jetzt nach vorne schauen. Europa wurde auf dem Vergessen der Schulden und dem Investieren in die Zukunft gegründet. Und eben nicht auf der Idee der ewigen Buße. Daran müssen wir uns erinnern.
Deutschland verdient bisher an Griechenland, indem es zu vergleichsweise hohen Zinsen Kredite an das Land vergibt.

Soweit immerhin Thomas Piketty

Nicknack

Re: Griechenland

Beitragvon Nicknack » Mo 6. Jul 2015, 14:36

Zakk hat geschrieben:Vor allem profitiert Deutschland von der Krise der Griechen am meisten....

Schwacher Euro ----> starke Exporte!


Hm, ich habe den Ueberblick darüber verloren, wieviel deutsche Kohlen da mittlerweile den Bach runter sind. Insgesamt sind 330 Mia. und dafür muss auch Deutschland ne Mnege nach Griechenlamd exportieren, damit das ein gutes Geschäft wird.

Und für die Selbstbedienung per Oligarchie und Korruption, die mangelnde Steuerdisziplin und trotz 25 % Staatsangestellten mangelhafte Organsiation von Steuerbemessung, -erhebung und -beitreibung wird ja wohl nicht mal Varoufakis den deutschen Exportüberschuss verantwortlich machen wollen.

Obwohl ... vielleicht bringt er das ja auch noch?
:laughter:

buttrock

Re: Griechenland

Beitragvon buttrock » Mo 6. Jul 2015, 15:00

Das Problem ist doch, dass man den Griechen 2001 nicht gesagt hat, dass sie erstmall den ganzen Kram mit der Korruption,Oligarchie,Steuern in den Griff kriegen muessen um bei der Waehrungsunion mitmachen zu duerfen. Das wusste man und hat dann doch auf die Erweiterung der Waehrungsunion gedraengt. Und dann hat man die Zuegel solange schleifen lassen, bis es nicht mehr rentabel war.
Klar muessen in Griechenland Reformen her, aber nach Meinung vieler Griechen und mir nicht unter allen Umstaenden.

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Re: Griechenland

Beitragvon Bassfuss » Mo 6. Jul 2015, 15:11

...hm...also Reformen müssen schon her. Denn wie gesagt: es gibt eigentlich keine wirkliche Produktion von Waren, die man auch exportieren könnte. Vor Jahren waren das mal Textilien, aber die Textilienfirmenkarawane ist lange weitergezogen und beutet anderswo Menschen aus. In GR wurde aber offenbar niemals richtig gegengesteuert bzw. eine Alternative geschaffen. Es muß sogar dringendst etwas passieren, bevor wieder Dinge wie die Verschacherung von öffentlichem Eigentum an China ins Spiel kommen.

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Re: Griechenland

Beitragvon Spanish Tony » Mo 6. Jul 2015, 17:34

Ich glaube, ihr geht alle nicht malochen und habt viel Zeit
Ihr solltet darüber nachdenken, wo uns das hinführen wird
Hilfe für die Griechen: Mehr Gyros essen!

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Zakk
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Re: Griechenland

Beitragvon Zakk » Mo 6. Jul 2015, 18:54

Das fällt mir einer ein….

Kommt ein Mann in die Bank: "Guten Tag! Ich möchte gern ein Gyros-Konto eröffnen!"

Bankangestellter: "Tut mir leid. Das ist bei uns nicht Ouzo!"

Han Solo

Re: Griechenland

Beitragvon Han Solo » Mo 6. Jul 2015, 20:42

Zakk hat geschrieben:Vor allem profitiert Deutschland von der Krise der Griechen am meisten....

Schwacher Euro ----> starke Exporte!


Der schwache Euro ist vor allem der Stärke des Dollars und der konjunkturell besseren Lage der USA geschuldet. Ohne Griechenlandkrise wäre der DAX in den letzten Monaten nicht oder nicht in dem Maße gefallen.

Der Grexit wäre für alle Beteiligten langfristig meiner Meinung nach die beste Lösung, auch wenn man das schon vor Jahren hätte machen müssen.

Josef K

Re: Griechenland

Beitragvon Josef K » Mo 6. Jul 2015, 20:43

@Zakk: Alter, ist der schlecht :heat:

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Re: Griechenland

Beitragvon Spanish Tony » Mo 6. Jul 2015, 20:47

Meiner war besser, gell?

Josef K

Re: Griechenland

Beitragvon Josef K » Mo 6. Jul 2015, 20:53

Han Solo hat geschrieben: Ohne Griechenlandkrise wäre der DAX in den letzten Monaten nicht oder nicht in dem Maße gefallen.



Gefallen? Entschuldigung, aber habe ich irgend etwas nicht mitbekommen???

Han Solo

Re: Griechenland

Beitragvon Han Solo » Mo 6. Jul 2015, 22:59

Josef K hat geschrieben:
Han Solo hat geschrieben: Ohne Griechenlandkrise wäre der DAX in den letzten Monaten nicht oder nicht in dem Maße gefallen.



Gefallen? Entschuldigung, aber habe ich irgend etwas nicht mitbekommen???


Der war mal bei über 12000. Nur so zur Erinnerung. Klar ist er davor gestiegen. Aber das liegt v.a. an den geringen Zinsen...

Josef K

Re: Griechenland

Beitragvon Josef K » Mo 6. Jul 2015, 23:18

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