
Und dann manche Ansichten: unaufregend, ein paar recht ordentliche Songs geschrieben, kein Unterschied zu Andrea Berg, Hollies waren besser - da kann es ja wohl nur heißen: Gehe in das Gefängnis, begibt Dich direkt dorthin, gehe nicht über Los und ziehe keine 4.000 € ein! Oder wie Paul Evans meint: "Sie (die Beatles) nicht zu mögen ist ungefähr so pervers, wie die Sonne nicht zu mögen."
Nicht das wir uns falsch verstehen: Natürlich kann man sagen "Mich berührt die Musik der Beatles nicht", genau wie man sagen sagen kann: "Mich berührt die Musik von Mozart nicht". Ist vollkommen legitim. Hat was mit Alter, Sozialisation und Musikgeschmack zu tun. Darum geht nicht. Aber deswegen zu meinen, die Beatles seien ja nur irgendeine überschätzte Sixties-Kapelle bzw. ein auch heute noch wiederholbares Phänom, zeugt von einer Beschäftigung mit dem Thema, die ungefähr genauso intensiv ist, wie der Kontakt von Trüffeln und Nudeln, wenn es beim Italiener um die Ecke heißt: "Heute Trüffel Pasta"...
Aus dem Spiegel 21/2010:
"Und so entstand in den letzten 40 Jahren aus den Beatles - und eben nicht aus den Stones - so etwas wie eine globale Übereinkunft, ungefähr so gültig wie die Uno-Charta. Nur dass es bei den Beatles keine Schurkenstaaten gibt, die sie ablehnen.
Es gibt nicht viele von diesen universalen kulturellen Vereinbarungen. Selbst Elvis Presley erlangte nie den hochkulturellen Status der Beatles. Beethoven, zum Beispiel, ist so eine Vereinbarung, natürlich, allerdings hat er nicht die Alleinstellung der Beatles, denn es gibt Bach und Mozart. Shakespeare ist so eine Vereinbarung, aber da sind auch Goethe und Schiller. Außerdem wurden diese Männer von höherer Stelle in ihrer Ausnahmestellung bestätigt. Literaturprofessoren haben sie in den Kanon erhoben, Musikwissenschaftler und Kritiker.
Die Beatles hat niemand in einen Kanon erhoben. Natürlich haben auch die Kritiker sie gepriesen, aber die Popkultur ist weniger obrigkeitshörig als die Hochkultur, und deswegen waren es vor allem die Menschen, die die Beatles in ihre Ausnahmeposition gehievt haben. Menschen, die gekreischt, die sich auf den Konzerten gedrängelt, die damals wie heute die Platten gekauft haben, und das millionenfach. Und dabei bekommen sie Lieder, die jeder schon kennt, die sich - bis auf ein paar technische Nuancen - nicht verändert haben.
Die Kanonisierung der Beatles ist die erste, die demokratisch entstanden ist. Kein Gremium hat sie vorgegeben. Wir alle haben abgestimmt.
Oder gibt es einen, der die besinnungslose Euphorie in "She Loves You" nicht begreift? Man würde es sich ja gern eine Nummer kleiner wünschen, aber die Beatles sprechen in jedem die universellen Gefühle an. Und dabei kommt es nicht darauf an, ob dieser Mensch in der Mongolei groß geworden ist oder in Missouri. Niemand muss den Text verstehen, um zu begreifen, dass "Can't Buy Me Love" von romantischem Idealismus handelt. Oder dass "Help!" jene unerklärliche Verzweiflung beschreibt, die heute Depression heißt. In "Eleanor Rigby" kann jeder die transzendentale Obdachlosigkeit des Menschen in der Moderne hören. Und wer todtraurig ist und im Laufe von "Hey Jude" keinen Trost findet, dem ist wahrscheinlich nicht zu helfen.
Fast jedes Beatles-Stück trägt ein Echo menschlichen Gefühls in sich. Wie Ringo in "With a Little Help from My Friends" die Töne nicht richtig trifft und genau deshalb so berührend über Freundschaft singt; wie sich der Rhythmus von "I'm Only Sleeping" über die Zeit schleppt und dabei so großartig verschlafene Morgendrömeligkeit nachstellt. Oder wie im Intro von "All You Need Is Love" kurz die Marseillaise angespielt wird, ein kleiner revolutionärer Trompetenstoß."
Hier geht's zum ganzen Artikel:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-70569527.html
So, und wer jetzt noch der Ansicht ist, die Beatles seien überschätzt, soll erst wiederkommen, wenn er auch mehr als eine Milliarde Scheiben verkauft hat!
