...oder kann das weg?
Die Kunstgalerie Stenkelfeld präsentiert:
100 Meisterwerke
"Deutscher Behördenschreibtisch"
Gegenständliches Arrangement
auf Esche, gebeizt.
Oberamtsrat Norbert Wilke
Bauordnungsamt Hannover,
1995
"Herr Wilke ist im Moment noch zu Tisch."
Diese lapidare Auskunft seiner Sekretärin zieht sich leitmotivisch durch das Lebenswerk des Gestalters dieser
vielbeachteten Installation Deutscher Behördenschreibtisch.
In einer jovialen Verweigerung hektischen Umtriebs schöpft das Werk seine Kraft aus erhabener Gelassenheit. Im Mittelpunkt des Arrangements die dunkelgrüne Schreibunterlage, Mit ihrer üppigen, abstrakten Kugelschreiberornamentik, geschaffen im Verlauf zahlloser privater Ferngespräche, repräsentiert sie das in der Behördenkunst verbreitete Stilelement des Werkes im Werk.
Welche Inspiration führte die Hand des Zeichners?
Waren es letzte Absprachen zur Festausschußsitzung des Kleingärtnervereins? Ein Wortschwall gut gespielten Bedauerns beim Vertrösten der Ehefrau wegen der zu erwartenden Überstunden? Eine hastig dahingehauchte Verabredung mit Fräulein Bisping aus der Registratur? Oder doch nur die bange Nachfrage bei der KFZ-Werkstatt zum Fortgang der 40.000 Km-Inspektion für den Jetta LS?
Der verdorrte Gummibaum an der rechten Tischkante würde es uns sagen können, doch er blinzelt verschwiegen in
jene Sonne, die noch durch vergilbte Gardinen den Rest seines geizig bemessenen Wasservorrats verzehrt.
Wie zufällig zeigt die Spitze eines verbogenen, blechernen Brieföffners auf einen zerknitterten Bauantrag aus dem Jahre 1962. Ein scheinbar achtlos abgestellter Papierlocher bricht böswillig den rechten Winkel zwischen dem Holzlineal und zwei perfekt gespitzten Bleistiften der Härte 2.
In jungfräulicher Unberührtheit pendelt ein Stempel am Karussell, der den sanften Druck des Farbkissens nie hat spüren dürfen. Erledigt entziffern wir mühsam den seitlichen Aufdruck. Beklommen spüren wir die Botschaft dieser Installation. Dies ist nicht der Ort, an dem bewegt, verändert oder solches Tun auch nur bewilligt wurde. Die hornhautfarbene Thermoskanne im Vordergrund schleudert uns ein stummes Halt!! entgegen. Wie ein Wachturm steht sie in diesem Ghetto der Zeitlosigkeit.
Aus einem Messingrahmen starrt die Familie mit leerem Blick auf ein sorgsam gefaltetes Stück Butterbrotpapier, das seiner Wiederverwendung harrt. Gleich einer Salzsäule vor Sodom verweilt der Betrachter und schämt sich seiner Begehrlichkeiten. Wilke's Bauamts-Schreibtisch läßt uns schmerzhaft die eigenen Grenzen spüren. Leider nehmen immer weniger Kunstfreunde die Mühe auf sich, stundenlange Wartezeiten in finsteren Korridoren zu ertragen, um dann, benebelt von Bohnerwachs, verspannt von Zugluft und eingeschüchtert von der Aura essigsaurer Hartleibigkeit einen Blick auf das Werk zu erhaschen.
Und selbst diesen wenigen verschließt sich die letzte Antwort auf die Frage: Was will uns Norbert Wilke mitteilen?
Die Antwort muß offen bleiben. Der Künstler ist noch zu Tisch.
Ist das Kunst...
- Keef
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Re: Ist das Kunst...

Re: Ist das Kunst...
Was will uns Darthie mitteilen?
Die Antwort muß offen bleiben. Der Darthie sitzt noch am Tisch.
Die Antwort muß offen bleiben. Der Darthie sitzt noch am Tisch.
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