
Bin gerade einer womöglich größeren Betrugsgeschichte im Musikalienhandel auf der Spur. Ich nenne jetzt keine Namen, und natürlich gilt die Unschuldsvermutung, aber irgendwas stinkt hier.
Letzte Woche erwarb ich online bei einem deutschen Händler (Traditionshaus, kein chinesischer Marktplatz!) mehrere Sätze Saiten (5 mal das gleiche Produkt) zu einem verdächtig günstigen Preis. Hinzukommt, dass es genau diese Produktvariante schon lange gar nicht mehr gibt. Ich dachte an alte Lagerbestände zum Rausschmisspreis. Nachhaltigkeit und so... tu was Gutes und nimm dem armen Händler mal nen Vorratspack ab...
Vorhin wechsle ich also die Saiten meiner Unterrichtsklampfe (Stahlsaiten-Akustik), die ich kenne wie keine Zweite. Es waren vorher dieselben Saiten drauf, und weil ich sie so mag, sollen eben auch die gleichen wieder drauf. Beim Auspacken merke ich aber schon rein haptisch, dass irgendwas anders ist. Sie fühlen sich irgendwie seltsam an. Egal, einach mal aufziehen... aber jetzt, der Klang... Hä??? Sollten neue Saiten nicht brillanter klingen als die alten? Oder bilde ich mir hier gerade was ein? Ich werde stutzig und kontrolliere ausnahmsweise den Authenticity Code (fachkundige Leser wissen jetzt, um welchen Hersteller es geht...). Und siehe da: eine Fälschung! Ich öffne eine weitere Packung und stelle fest: derselbe Code! Dabei sollten diese Codes doch absolut einmalig sein. Das kann ja also schon mal nicht stimmen.
Was jetzt? Ich habe fünf gefälschte Sätze erworben von einem Produkt, das schon einige Zeit gar nicht mehr ausgeliefert wird. Und der Händler hat laut Homepage noch über 50 Sätze vorrätig. Und interessanterweise ist nach meiner Bestellung der Bestand zunächst gesunken (der Händler gibt die exakte Anzahl online an), danach aber plötzlich wieder gestiegen. Wie kann das sein bei einem Produkt, das es gar nicht mehr gibt?
Ich habe jetzt mit dem deutschen Vertrieb besagter Marke telefoniert, weil mir das alles sehr komisch vorkommt. Die waren auch gleich sehr interessiert. Ich habe ihnen Beweisfotos geschickt und sie werden der Sache jetzt weiter nachgehen. Den Händler habe ich auch schon versucht anzurufen, aber der Chef ist - komisch, komisch - "gerade nicht erreichbar" (sagt die Kollegin, die mich durchstellen wollte, nach einer Minute Warten, und die von alledem natürlich nichts weiß).
Es gibt jetzt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten:
1. Der Händler ist völlig unschuldig, er bezieht seine Ware vom Großhandel / Vertrieb und vertraut darauf, dass die ihm schon "das Richtige" schicken. Der Betrug findet also vorher in der Lieferkette statt. Nur wo?
oder
2. Der Händler bezieht WISSENTLICH gefälschte Waren abseits der normalen Vertriebswege, um seinen Profit zu erhöhen. Wir wissen alle, wie schwer es die kleineren Läden in dieser Branche haben. Damit schädigt er aber sowohl den Kunden als auch den Vertriebspartner. Und der wird sich das sicher nicht einfach so gefallen lassen.
Das Pikante ist, dass es dieses Produkt eigentlich gar nicht mehr geben dürfte. Das heißt, dann würde hier ja sogar doppelt beschissen. Es scheint mir schwer vorstellbar, dass ein eher kleinerer Händler in einer Kleinstadt so viele Sätze auf Vorrat einkauft. Die müßten längst alle verkauft sein.
Bin gespannt, was da noch rauskommt.
Was meint ihr?

