Tom hat geschrieben:Multitone hat geschrieben:aber D-Gm7 als I-IV (Strophe!) ist doch kein modal interchange, gelle?
Sondern eine Mollsubdominantkadenz, stimmt (Funktionsharmonik as it's best - in 7,3 Myriaden Beatlessongs vorkommend)
…. Gm6 übrigens. Also noch päpstlicher als der Papst.
Multitone hat geschrieben:Und das Hm7-E-Em7-G/A, das dann folgt, doch auch nicht?
Das sind ganz klassische Zwischendominanten - in der very Tradition des great american songbooks.
II - V mit der Doppeldominante E, dann II - V mit der Dominante A. Die IIm7 ist im Verhältnis zur V nix anderes als ein ausharmonisierter Quartvorhalt der Dominante.
Wie gesagt, Kotzen mischt normale Dur/Moll Harmonik mit Bluesharmonik (wie viele vor und nach ihm).
Mir ist er deswegen

trotzdem sympatisch, vorallem weil er so schön unsauber spielt.
Ich denke, ich habe mich mit "funktionsharmonisch" ungenau ausgedrückt. Vielleicht meinte ich stufentheoretisch. Ich weiß jetzt nicht, wie Ihr das auf der Hochschule gelernt habt und wie man das nennt, was ich meine.
Ich gehe aber einmal davon aus, dass sowohl Funktionsharmonik als auch die Stufentheorie (als ihre Vorgängerin, wenn ich das richtig sehe) bestehende Sequenzen/Kadenzen/Klischees v.a. im NACHHINEIN in ihren Beziehungen erklären bzw. interpretieren können. Was man ja u.a. am Jazzvolkssport Reharmonisierung sehen kann, wo ja eigentlich nichts neu komponiert wird, sondern funktionsharmonisch ersetzt.
Das hat für mich eine gewisse Beliebigkeit. Denn der künstlerische Akt der Erschaffung der ursprünglichen Akkordfolge besteht ja schon und wurde womöglich, ja wahrscheinlich sogar in den meisten Fällen nicht aufgrund der Basis der Theorien vollzogen, sondern aufgrund von Musikalität und Erfahrung (also Kennen vieler solcher Klischees und Hörgewohnheiten) oder bewusster Negierung derselben.
Wie sonst kommen die Doors auf eine Akkordfolge von Am-F#m in der Strophe von Light My Fire?
Kein Mensch kommt auf so eine Idee, bis er sie ausprobiert und merkt, sie klingt.
Das sind schon clevere Werkzeuge der Harmonielehre, aber sie kommen mir manchmal vor wie verhaltenspsychologische Motivationstheorien oder sportwissenschaftliche Spieltheorien. Im Nachhinein kann jeder Kenner erklären, wieso der Elfer von Real gestern gehalten wurde und was wer richtig und falsch gemacht hat. Das geht IMMER. Egal wie abstrus die Handlung war. Diese Theorien helfen aber wenig bis gar nichts, wenn jemand, der das Spiel verpasst hat und das Ergebnis nicht kennt, beim Anlaufen von di Maria das Video angehalten bekommt und jetzt sagen muss, was wer zu tun hat, um den Elfer reinzumachen oder zu halten.
Ich bin da streng und für mich ist alles außerhalb der Tonleiterstufen mit Glück Reharmonisierung oder mit Pech ein ganz anderes Tonsystem. Einen Fieldblues des ausgehenden 19. Jahrhunderts (oder ein gälisches Volkslied oder eine Roma-Ballade) funktionsharmonisch aufzubereiten, halte ich nicht für zielführend. Darin kommen ja manchmal sogar Noten vor, die es im westlichen Tonsystem nicht einmal gibt. Dummerweise werden sie auf Instrumenten gespielt, die sie aus unserer Westwelt übernommen haben, da wohl niemand authentische Instrumente mit aufs Sklavenschiffe nehmen durfte oder von Südosteuropa bis hierher geschleppt hat, was suggeriert, dann klappt's auch mit der Musiktheorie dazu. Und mit diesen Theorien kriegt man das immer irgendwie hin bzw. erzwungen. Ob das jemandem außerhalb dieser Volksgruppen hilft, Roots-Blues oder Gypsy authentisch zu spielen? Wenn ich mich so umhöre, eher im Gegenteil.
Egal. Ich reagiere über. Du hast natürlich Recht. Aber ein flaues Gefühl bleibt da bei mir immer bei solchen Interpretationen.
Wobei die natürlich in dem Fall nicht spektakulär sind, sondern eher gemäßigt. Es geht ja um Pop.

Oh, richtig, jetzt mit Deiner Hilfe höre ich es auch. Gm6. Den er übrigens auf der Live in Sao Paulo gnadenlos verhaut. Witzigerweise hatte er die Souveränität, das auf der Platte zu lassen.