Das Gedicht von Günter Grass

Benutzeravatar
Cat Carlo
Beiträge: 1577
Registriert: Sa 23. Okt 2010, 19:20
Wohnort: Dithmarschen

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Cat Carlo » Mi 4. Apr 2012, 22:18

Josef K hat geschrieben:
linus hat geschrieben:Wieso überrascht mich das bei GG auch nicht: wer 60 Jahre lang "übersehen hat", das er bei der Waffen-SS war (somit genau das getan hat, was er den damaligen Tätern jahrzehntelang vorgeworfen hat !), von dem erwarte ich auch nix anderes mehr... :twisted:


Ich erlaube mir hier anderer Meinung zu sein. Mein Vater war Zeitzeuge und hat mir Folgendes berichtet: Die Schwarzhemden haben die Soldaten (viele zwischen 16-18 Jahren alt) antreten lassen und haben dann im Kommisston gebrüllt: "Wer meldet sich jetzt NICHT freiwillig zur Waffen-SS? Vortreten!"

Das war im Dezember 1944. Und natürlich waren mein Vater und Her Grass Opfer und eben nicht die Tätergeneration! Und natürlich haben beide das Recht, die Tätergeneration anzugehen.


Ich stimme dir grundsätzlich zu. Allerdings würde ich von Tätern und Opfern reden; ganze Generationen als homogen gut oder böse zu betrachten halte ich allerdings für zu verallgemeinernd.

Bei Grass ist nicht seine SS-Vergangenheit das Problem. Sondern das er es verschwiegen hat. Und ich halte das schon für ein großes Problem. Und für einen Antisemiten halte ich ihn auch nicht. Wie soll den bitte die korrekte Kritik von jemanden Aussehen, der Israel für agressiv hält?

Gruß vom Kater

Josef K

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Josef K » Mi 4. Apr 2012, 23:05

Die Kätzin, in dessen Revier ich wohne, die ich Amanda nenne, grüßt Dich ;)

buttrock

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon buttrock » Do 5. Apr 2012, 10:48

Meistens find ich den Fleischhauer ja unertraeglich, hier kann ich ihm nicht wirklich entschieden widersprechen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,825879,00.html#ref=nldt

Josef K

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Josef K » Do 5. Apr 2012, 13:07

Ja klar, der Fleischhauer ist ein Held. Unter den Nazis wäre er bestimmt umgekommen. Er wäre nämlich besoffen vom Wachturm gefallen......

Ich habe oben geschrieben, wie das mit der "Freiwilligkeit" zu verstehen war. Jeder, der das zum Vorwurf erhebt, hat das Wesen von Nationalsozialismus nicht verstanden. Und dann dieses Psycho-Geschwurbel über die "Neubesetzung der Täterrolle" :facepalm:

Man blättere kurz in "Unter Linken" rein, wo er sich zum Opfer der Linken stilisiert. Nur einer fand dieses Buch großartig - na, wer kann das gewesen sein?

Richtig! Ein gewisser Herr Henryk M. Broder :wave:

buttrock

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon buttrock » Do 5. Apr 2012, 13:48

Wo hab ich den geschrieben, dass der Fleischhauer ein Held ist. Lies doch das posting nochmal durch!
Nochmal etwas einfacher:
-Buttrock findet Fleischhauer scheisse
-Buttrock hat an genau diesem einen Fleischhauer Text nichts auszusetzen

Diese Art zu disskutieren is sooo muehselig und nervig. Einfach mal was vorwerfen was da gar nicht steht. Fuer mich das Hauptaergernis der Diskussionen hier.

Harry

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Harry » Do 5. Apr 2012, 14:42

Vielleicht hat er sich beim Häuten seiner SS-Zwiebel in den Finger geschnitten. Kommt schon vor, dass sich Zeitgenossen mit der Bewältigung ihrer Vergangenheit schwer tun. Allerdings tut das der selbstverliebte alte Herr Grass mit ziemlichen Getöse. Vielleicht sollte er künftig besser still seinen Nobelpreis betrachen und die Fresse halten :-)
Zuletzt geändert von Harry am Do 5. Apr 2012, 14:44, insgesamt 1-mal geändert.


Benutzeravatar
Mr Knowitall
Beiträge: 6473
Registriert: Sa 23. Okt 2010, 12:38
Instrumente: Lauter überteuerter Schrott!

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Mr Knowitall » Do 5. Apr 2012, 15:22

Ich war nie bei der SS. Nicht mal ganz kurz. Was soll ich nun tun?

Benutzeravatar
Honk04
Beiträge: 1025
Registriert: Sa 23. Okt 2010, 11:00

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Honk04 » Do 5. Apr 2012, 15:54

Harry hat geschrieben:http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/eine-erlaeuterung-was-grass-uns-sagen-will-11708120.html


Interessant und überzeugend
("lyrischer Etikettenschwindel").

linus
Beiträge: 1970
Registriert: Mo 25. Okt 2010, 11:38

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon linus » Do 5. Apr 2012, 16:31

@ Josef

"Das war im Dezember 1944. Und natürlich waren mein Vater und Herr Grass Opfer und eben nicht die Tätergeneration! Und natürlich haben beide das Recht, die Tätergeneration anzugehen."

Völlig neue Erkenntnis: man unterstützt aktiv (als Soldat) ein diktatorisches System und sieht sich anschließend nach "in-die-Hose-gehen" des Systems als Opfer...?!?

Was wäre das Verhalten im Falle eines Sieges gewesen ...

Ich glaube nicht, daß ein polnischer, russischer, jugoslawischer etc. Einwohner die Soldaten der Wehrmacht/SS als Opfer dieses Systems betrachtet!

Das diese "Mittäter" das Recht haben, gegen die Verursacher anzugehen, steht außer Frage - nur die deutsche Nachkriegsgeschichte hat ja gezeigt, daß das eben eher "dezent" gemacht wurde.

(Mein Großvater hat es mir immer wieder verdeutlicht: "wir hatten alle Bedenken ab Rußland, aber wir haben alle mitgemacht - und deswegen sind wir mitschuldig, wir haben wieder besseren Wissens das System unterstützt!")

Läster Paul
Beiträge: 2944
Registriert: Di 9. Nov 2010, 14:38

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Läster Paul » Do 5. Apr 2012, 16:56

linus hat geschrieben:Völlig neue Erkenntnis: man unterstützt aktiv (als Soldat) ein diktatorisches System und sieht sich anschließend nach "in-die-Hose-gehen" des Systems als Opfer...?!?

Was wäre das Verhalten im Falle eines Sieges gewesen ...


Hätten die den rechten Arm zum Hitlergruss hochgerissen und die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen, 120%ig.

Benutzeravatar
Aldaron
Beiträge: 5686
Registriert: Sa 23. Okt 2010, 11:37

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Aldaron » Do 5. Apr 2012, 17:13

Die Opfer waren in den KZs. :wave: Da kamen auch Leute rein, die den Dienst an der Waffe verweigerten. Wer weiß wie wir damals gehandelt hätten. Wer aber zur Waffe gegriffen hat, kann sich danach nicht als Opfer hinstellen. Aber heute redet sich jeder leicht. Die meisten wissen doch gar nicht was Krieg ist. Wir leben in einem Schlaraffenland - in jeder Hinsicht. Ich hab mich vor kurzem mit einem Zeitzeugen unterhalten der auch unter Hitler gedient hatte. Er kam nach dem Krieg in amerikanische Gefangenschaft und erzählte mir, er habe sich da zum ersten Mal in seinem Leben satt gegessen! Sowas kann ich junger Hüpfer einfach nicht begreifen. Ich steh sogar in einem deutschen(!) Aldi vor der Wahl, welche der 5 Buttermarken ich kaufen soll...! Die Menschen damals aus heutiger Sicht zu kritisieren ist oft ziemlich haltlos.

Han Solo

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Han Solo » Do 5. Apr 2012, 21:35

Das ist mittlerweile genau so eine Hetzjagd wie gegen Sarrazin. Meinungs- und in diesem Fall auch Kunstfreiheit haben keinen Stellenwert in den westlichen Demokratien mehr. Bestimmte Thematiken muss man einer Einheitsansicht folgend vertreten oder man wird durch erdrückenden Einfluss mundtot gemacht. Man sollte sich mal fragen, was mehr Schaden anrichtet: Ein Schriftsteller oder ein zweifelhafter Angriffskrieg? Es gibt viel zu wenige grasse Günter. Nicht weil es inhaltlich völlig zutrifft was er schreibt, sondern weil er den Mut besitzt, vom Mainstream abzuweichen. V.a. das Argument kotzt mich an, er hätte sich stärker vom Iran distanzieren müssen. Geht's noch? Grass hat ein Gedicht über die isreaelische Politik geschrieben und nicht über den Iran und v.a. keinen politisch/historischen Sachbericht. Wenn in Zukunft die political correctness bestimmt, wie der Inhalt von Kunst auszusehen hat und was man weglassen und nicht weglassen darf, dann können wir auch gleich wieder anfangen, Kunst, die diese Kriterien nicht einhält als "entartet" zu bezeichnen und Bücher zu verbrennen.

buttrock

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon buttrock » Fr 6. Apr 2012, 11:40

Das ist doch nicht richtig. Grass DARF doch diesen Schwachsinn schreiben, aber man DARF das doch auch kritisieren. Grass wird doch nicht verhaftet oder mit Berufsverbot belegt. Dieses Meinungsfreiheits-Argument kommt doch immer dann wenn die eigene Meinung in die Kritik gerät. Und btw unrefelektierte und überzogene Israelkritik ist ja auch nicht sooo weit weg vom Mainstream wie es die Tabubrecher immer behaupten.

Harry

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Harry » Fr 6. Apr 2012, 11:48

"Ich hatte Alzheimer
Was dazu noch gesagt werden muß (vom Grass):
Gegen das Vergessen"/ sind sie ja alle / aber hat schon einmal einer gesagt / daß man manchmal auch vergessen muß / um alte Wahrheiten neu denken / zu können? / Ich kann mich / gerade / nicht daran erinnern."
http://www.titanic-magazin.de



In Israel interessiert sich offensichtlich niemand für Grass
http://www.tagesschau.de/ausland/grassgedicht108.html


Meine Meinung: Grass drüber wachsen lassen ;)
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/ ... 53,00.html

Benutzeravatar
Honk04
Beiträge: 1025
Registriert: Sa 23. Okt 2010, 11:00

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Honk04 » Fr 6. Apr 2012, 13:38

buttrock hat geschrieben:Das ist doch nicht richtig. Grass DARF doch diesen Schwachsinn schreiben, aber man DARF das doch auch kritisieren. Grass wird doch nicht verhaftet oder mit Berufsverbot belegt. Dieses Meinungsfreiheits-Argument kommt doch immer dann wenn die eigene Meinung in die Kritik gerät. Und btw unrefelektierte und überzogene Israelkritik ist ja auch nicht sooo weit weg vom Mainstream wie es die Tabubrecher immer behaupten.


:thanx:

Han Solo

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Han Solo » Fr 6. Apr 2012, 15:10

buttrock hat geschrieben:Das ist doch nicht richtig. Grass DARF doch diesen Schwachsinn schreiben, aber man DARF das doch auch kritisieren. Grass wird doch nicht verhaftet oder mit Berufsverbot belegt.


Klar, aber so eine mediale Hetzjagd kann einem Berufsverbot gleich kommen. Wenn jemand wie Grass nämlich daraus seine Konsequenzen ziehen würde und sich nicht mehr in der politischen Debatte öffentlichen äußern würde. Das würde ich durchaus als Verlust ansehen, da er dann zu den vielen zurückhaltenden Intellektuellen zählen würde. Nicht jeder ist so einer wie Broder, der es genießt zu polarisieren.

Und btw unrefelektierte und überzogene Israelkritik ist ja auch nicht sooo weit weg vom Mainstream wie es die Tabubrecher immer behaupten.

Dann frag ich mich wo die ganzen Mainstreamjournalisten sind, die Grass zur Seite springen?

Benutzeravatar
Mr Knowitall
Beiträge: 6473
Registriert: Sa 23. Okt 2010, 12:38
Instrumente: Lauter überteuerter Schrott!

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 6. Apr 2012, 16:30

Han Solo hat geschrieben:


Dann frag ich mich wo die ganzen Mainstreamjournalisten sind, die Grass zur Seite springen?


Du meinst die Nazis? ;)

Mal im Ernst: die deutsche Presse spiegelt nicht die Meinung der Bevölkerung wider. Gerade bei Springer dürfen nur Leute schreiben, die weder die USA noch Israel kritisieren. Pressefreiheit bedeutet bekanntlich, dass einige reiche Menschen ihre Meinung veröffentlichen dürfen. Diese Form der Gedankenkontrolle funktioniert aber auch nur begrenzt, d. h. der öffentliche Diskurs ist äußerst beschränkt. Aber: Ich denke schon, dass berechtigte Kritik an der Regierung Israels, aber auch Ressentiments gegen Israel eigentlich recht verbreitet sind.

buttrock

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon buttrock » Fr 6. Apr 2012, 17:33

Und das die Reichen Israel verteidigen dürfte doch keinen von uns wundern.

Benutzeravatar
Mr Knowitall
Beiträge: 6473
Registriert: Sa 23. Okt 2010, 12:38
Instrumente: Lauter überteuerter Schrott!

Re: Das Gedicht von Günter Grass

Beitragvon Mr Knowitall » Fr 6. Apr 2012, 18:18

Nicht polemisch werden! :nono: Ehrlich gesagt, ist der Spruch eine Frechheit.

Die Tatsache, dass Kritik an der israelischen Regierung in der Öffentlichkeit ein Tabu ist, führt erst dazu, dass bei neutralen Menschen unterschwellig eine Abneigung gegen Israel ensteht. Das sind paradoxe Effekte, die immer dann auftreten, wenn man versucht, den Menschen vorzuschreiben, was sie zu denken haben. Es wäre besser für alle, vor allem aber für Israel, wenn diese Form der Manipulation endlich aufhören würde. Lies doch einfach mal Haaretz, dann kapierst du vielleicht, was ich meine.


Zurück zu „Politik / Wirtschaft / Feuilleton / Sport / Medien“