buttrock hat geschrieben:Wenn man jemandem das Brechen eines Tabus (moralisch,politisch etc) vorwirft, so wird das für denjenigen negativen Folgen haben. Das ist jetzt nicht so brutal überraschend, dass ich dazu ein Gedankenexperiment brauche. Das ist nämlich banal. Worum es (mir) doch hier geht ist doch komplexer:
1) War Grass' Kritik legitim oder anrüchig.
2) Ist Kritik an Israel in jeder Form antisemitisch und damit tabu.
3) Wie sieht die Rezeption von Grass aus und wie verhält sich Grass dazu.
zu 1)
Sie ist legitim. Also rechtmäßig. Er verstößt gegen keine Gesetze. Aus meiner Sicht auch moralisch. Moral ist eine persönliche Sache
zu 2)
Wenn ich jemanden von jeder Kritik freistelle, führt das irgendwann zu Mißbrauch. So sind Menschen. Und Juden sind ebend Menschen, wie alle anderen auch. Etwas anderes zu sagen, wäre dann antisimitisch. Ja auch die positive Aussage ist antisimitisch. Jedenfalls hat man das auch Sarrazin vorgeworfen, der den Juden eine höhere Intelligenz zugeschrieben hat. Aber zum Mißbrauch: es geht um Kritik am Staat, an der führenden Klasse. Der sind, wie in jedem anderen Staat, auf Grund ihrer Machtgeilheit, alle Mittel zum Machterhalt und Machtgewinn recht. Hier die Möglichkeit einzuräumen, Kritik zu tabuisieren, öffnet dem Faschismus Tür und Tor. Aber vielleicht sympatisiert ja mancher heimlich damit?
Noch was zum Tabu als solches: Einem intellektuellem Geist sind Tabus ein Graus, man muß auch das undenkbare denken und diskutieren können. Ich rede nicht vom Machen! Nur der alte, träge Geist, der in seiner Denkfaulheit nur noch bewahren möchte, der Angst vor jeder Veränderung hat, Angst vor seinem Machtverlust, der heiligt den Tabus. Womit wir wieder bei Faschismus wären.
zu 3)
Schreibfehler? Meintest Du Reputation. Egal. Die Diskussion hat ihren Urheber längst überrollt. Es geht nicht mehr um ihn, egal was er noch dazu sagt. Es geht darum, dass Menschen sich anfangen zu verständigen, über die köpfe ihrer Meinungsmacher hinweg. Und vielleicht, hoffentlich, hilft dies, einer friedlichen Lösung ohne Blutvergießen näher zu kommen. Das dies den Meinungsmachern aud den Sack geht, ist verständlich. Aber da muß man dann auch mal zutreten können!
Gruß vom Kater